Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wallander 08 - Die Brandmauer

Wallander 08 - Die Brandmauer

Titel: Wallander 08 - Die Brandmauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
Vom Netzwerk:
Virusrakete«, sagte Modin. »Dummheit kann man ihnen jedenfalls nicht vorwerfen.«
    Wallander betrachtete den Jungen an seiner Seite. Wie lange würde er noch durchhalten? Plötzlich hatte er das Gefühl, daß er schon einmal mit einem solchen Jungen neben sich dagestanden hatte. Er dachte an Stefan Fredman. Den Jungen, der jetzt tot und begraben war.
    »Was ist eigentlich passiert?« fragte Wallander. »Magst du es erzählen?«
    Modin nickte. »Er war einfach da im Haus, als sie mich hereinließ. Und er bedrohte mich. Ich wurde ins Badezimmer eingeschlossen. Plötzlich hörte ich, wie er sie anschrie. Weil es Englisch war, verstand ich, was er sagte. Soweit ich es hören konnte.«
    »Und was sagte er?«
    »Sie hätte ihren Auftrag nicht ordentlich ausgeführt. Sondern wäre schwach gewesen.«
    »Hast du noch mehr gehört?«
    »Nur die Schüsse. Als er das Badezimmer aufschloß, glaubte ich, er wollte auch mich erschießen. Er hatte eine Pistole in der Hand. Aber er sagte nur, daß ich seine Geisel wäre. Und ich sollte tun, was er sagte. Sonst würde er meine Eltern umbringen.«
    Wallander merkte, daß Modins Stimme zu zittern begann.
    »Es reicht jetzt«, sagte er. »Den Rest machen wir später. Du mußt jetzt schlafen. Fahr nach Hause zu deinen Eltern. Und dann reden wir weiter.«
    »Eigentlich ist es phantastisch.«
    Wallander betrachtete ihn aufmerksam. »Was meinst du?«
    |550| »Was man alles machen kann. Nur dadurch, daß man eine kleine tickende Rakete irgendwo in einen Geldautomaten steckt.«
    Wallander antwortete nicht. Polizeiwagen mit eingeschalteten Sirenen kamen näher. Wallander entdeckte einen dunkelblauen Golf, der hinter dem Kleinlaster geparkt war, so daß er von da, wo er gestanden hatte, unmöglich zu sehen gewesen war. Das Plakat mit der Reklame für billige Rippchen wirbelte um seine Füße.
    Er merkte, wie müde er war. Und erleichtert.
    Martinsson kam auf ihn zu. »Wir müssen miteinander reden«, sagte er.
    »Ja«, entgegnete Wallander. »Aber nicht jetzt.«
    Es war neun Minuten vor sechs. Montag, der 20.   Oktober. Wallander fragte sich geistesabwesend, wie der Winter wohl werden würde.

|551| 40
    Am Dienstag, dem 11.   November, wurde Wallander überraschend von dem Vorwurf freigesprochen, Eva Persson während eines Verhörs mißhandelt zu haben. Es war Ann-Britt, die ihm die Neuigkeit überbrachte. Sie war es auch, die entscheidend dazu beigetragen hatte, daß es dazu kam. Doch erst im nachhinein erfuhr Wallander, wie es zugegangen war.
    Einige Tage zuvor hatte Ann-Britt Eva Persson und ihre Mutter besucht. Was im Verlauf dieses Treffens gesprochen wurde, kam nie richtig ans Tageslicht. Kein Protokoll wurde geführt, kein Zeuge war anwesend, obwohl es gegen die Vorschriften verstieß. Ann-Britt ließ jedoch Wallander gegenüber durchblicken, daß sie zu einer »milden Form gefühlsmäßiger Erpressung« gegriffen hatte. Was das genau bedeutete, hatte sie nicht erklärt. Aber aus dem, was sie sonst noch erzählte, zog Wallander den Schluß, daß Ann-Britt Eva Persson den guten Rat gegeben hatte, sich über ihre Zukunft Gedanken zu machen. Auch wenn sie von jedem Verdacht, an dem Mord an Lundberg aktiv beteiligt gewesen zu sein, freigesprochen wurde, könnte die falsche Beschuldigung eines Polizisten ernsthafte Konsequenzen haben. Was dabei im Detail gesagt wurde, erfuhren also weder Wallander noch sonst jemand genau. Aber am darauffolgenden Tag hatten Eva Persson und ihre Mutter durch ihren Anwalt die Klage gegen Wallander zurückgezogen. Sie gaben zu, daß die Ohrfeige tatsächlich so ausgeteilt worden war, wie Wallander behauptete. Eva Persson räumte ein, ihre Mutter angegriffen zu haben. Eine allgemeine Anklage gegen Wallander hätte allerdings dennoch erhoben werden können. Aber die Sache wurde ad acta gelegt, in aller Eile, als ob alle nichts als Erleichterung empfänden. Ann-Britt hatte auch dafür gesorgt, daß eine Anzahl ausgesuchter Journalisten informiert wurde. Doch die Nachricht, daß Wallander durch die Zurücknahme der |552| Anklage von dem gegen ihn erhobenen Vorwurf befreit worden war, bekam in den Zeitungen keinen hervortretenden Platz, wenn sie überhaupt erwähnt wurde.
    Dieser Dienstag war ein ungewöhnlich kalter Herbsttag in Schonen, mit böigem Nordwind, der zuweilen Sturmstärke erreichte. Wallander war nach einer unruhigen Nacht, in der schlechte Träume in seinem Unterbewußten rumort hatten, früh am Morgen aufgewacht. Was er geträumt hatte, konnte er

Weitere Kostenlose Bücher