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Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Titel: Wallander 09 - Der Feind im Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Die Musik ertönte weiter durch das offene Fenster.
     
    Er fuhr zusammen, als er die Hand auf seiner Schulter fühlte. Er drehte sich um und sah direkt in Håkan von Enkes Gesicht.
    »Du wieder hier?«, sagte Håkan mit leiser Stimme. »Das war nicht abgesprochen. Ich hätte dich für einen Eindringling halten können. Was willst du?«
    »Mit dir reden.«
    »Ist etwas passiert?«
    »Es ist viel passiert. Wie du sicher weißt, bin ich nach Berlin gereist, um deinen alten Freund George Talboth zu treffen. Ich muss sagen, dass er genau so auftrat, wie ich es von einem hohen CIA-Offizier erwartet hatte.«
    Wallander hatte sich vorbereitet, so gut er konnte. Er wusste, dass er nicht übertreiben durfte. Er musste laut genug sprechen, damit Sten Nordlander ihn verstehen konnte. Aber nicht so laut, dass Håkan von Enke Verdacht schöpfte, es könnte einen Mithörer geben.
    »Er hatte den Eindruck, du wärst ein guter Mann.«
    »Ich habe noch nie ein Aquarium gesehen wie das, das er mir gezeigt hat.«
    »Es ist ganz außergewöhnlich. Besonders die Züge, die in den Tunneln fahren.«
    Eine kräftige Windbö zog vorbei. Dann war es wieder still.
    »Wie bist du hergekommen?«, fragte von Enke.
    »Mit demselben Boot.«
    »Und du bist allein gekommen?«
    »Warum sollte ich nicht?«
    »Gegenfragen als Antwort auf meine Fragen machen mich misstrauisch.«
    Håkan von Enke ließ plötzlich eine Taschenlampe aufleuchten,die er dicht am Körper gehalten hatte. Er richtete den Strahl auf Wallanders Gesicht. Eine Verhörleuchte, dachte Wallander. Wenn er sie nur nicht aufs Haus richtet und Sten Nordlander entdeckt. Dann bricht alles zusammen.
    Die Lampe erlosch.
    »Wir brauchen nicht hier draußen zu stehen.«
     
    Wallander folgte von Enke so dicht wie möglich. Als sie ins Haus kamen, schaltete er das Radio aus. Nichts im Raum hatte sich seit Wallanders vorigem Besuch verändert.
    Håkan von Enke war auf der Hut. Wallander fragte sich, ob es an seinem Instinkt lag, der ihm Gefahr signalisierte. Es war jedenfalls mehr als das natürliche Misstrauen angesichts von Wallanders Erscheinen auf der Insel.
    »Du musst einen Grund haben«, sagte von Enke langsam. »Ein plötzlicher Besuch, mitten in der Nacht?«
    »Ich wollte mit dir reden.«
    »Über deine Reise nach Berlin?«
    »Nein, darüber nicht.«
    »Dann musst du dich erklären.«
    Wallander hoffte, dass Sten Nordlander draußen vor dem Fenster ihr Gespräch verstehen konnte. Was, wenn Håkan plötzlich einfiele, das Fenster zu schließen? Ich habe keine Zeit zu verlieren, dachte Wallander. Ich muss sagen, worum es geht. Ich kann nicht länger warten.
    »Du musst dich erklären«, wiederholte Håkan von Enke.
    »Es geht um Louise«, sagte Wallander. »Die Wahrheit über sie.«
    »Kennen wir die nicht schon? Haben wir nicht kürzlich hier gesessen und über sie gesprochen?«
    »Das haben wir. Aber du hast wohl kaum die Wahrheit gesagt.«
    Håkan von Enke betrachtete ihn mit der gleichen ausdruckslosen Miene wie vorher.
    »Plötzlich hatte ich das Gefühl, dass da etwas nicht zusammenpasste«, sagte Wallander. »Es war, als stände ich da und schaute in die Luft, während ich eigentlich den Boden zu meinen Füßen studieren sollte. Es geschah während meines Besuchs in Berlin. Ich merkte, dass George Talboth nicht nur meine Fragen beantwortete. Er erkundete auch, geschickt und unauffällig, was ich eigentlich wusste. Als mir das klar wurde, erkannte ich auf einmal etwas ganz anderes. Etwas Entsetzliches, Schändliches, einen Verrat von solcher Niedertracht und Menschenverachtung, dass ich es zunächst nicht glauben wollte. Was ich zuerst angenommen hatte, ebenso wie Ytterberg, was du erklärt hattest und was Talboth erzählt hatte, das war nicht die Wahrheit. Ich war benutzt und ausgenutzt worden, ich war gehorsam und blauäugig in alle Fallen getappt, die an meinem Weg platziert worden waren. Doch das brachte mich auch dazu, eine andere Person zu sehen.«
    »Wen?«
    »Nennen wir sie die wahre Louise. Sie ist nie Spionin gewesen. Sie war nicht falsch, sondern so echt, wie man es sich nur vorstellen kann. Als ich sie zum ersten Mal traf, war ich von ihrem schönen Lächeln beeindruckt. Daran musste ich wieder denken, als wir uns in Djursholm trafen. Ich bin danach lange davon ausgegangen, sie habe ihr Lächeln benutzt, um ihr großes Geheimnis zu verbergen. Bis ich einsah, dass ihr Lächeln vollkommen echt war.«
    »Bist du gekommen, um mir etwas vom Lächeln meiner toten Frau zu

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