Wallander 10 - Wallanders erster Fall
gezogen. Sie hatten zunächst in Höör gewohnt und später in Trelleborg. Der Vater war als Monteur im Außendienst bei einer Elektrizitätsgesellschaft angestellt, die Mutter war Hausfrau; Rolf war das einzige Kind der beiden. Nach dem Tod des Vaters 1986 war die Mutter nach Tranås zurückgezogen, wo sie ein Jahr später ebenfalls |413| starb. Wallander hatte immer stärker den Eindruck, daß Rolf Nyman ein unsichtbares Leben geführt hatte. Als hätte er absichtlich all seine Spuren verwischt. Mit Hilfe der Kollegen in Malmö erfuhren sie, daß sein Name nie in Verbindung mit dem Drogenmilieu genannt worden war. Er war zu unsichtbar, dachte Wallander mehrmals an diesem Nachmittag. Menschen hinterlassen Spuren. Alle, außer Rolf Nyman.
Hansson kam von seinem Gespräch mit der Landbriefträgerin Elfrida Wirmark zurück. Sie war sich ihrer Sache sehr sicher. Es wohnten zwei Menschen in dem Haus, Holm und Nyman. Was bedeutete, daß jetzt nur noch einer dort wohnte, da Holm im Leichenschauhaus lag und darauf wartete, begraben zu werden.
Um sieben Uhr abends waren sie im Sitzungszimmer versammelt. Nach den Berichten, die Martinsson erhalten hatte, hatte Nyman das Haus im Laufe des Tages nur einmal verlassen, um den Hund zu füttern. Es war auch niemand auf den Hof gekommen. Wallander fragte, ob diejenigen, die den Mann überwachten, den Eindruck hatten, daß er besonders mißtrauisch sei. Aber es gab keine entsprechenden Beobachtungen. Dann diskutierten sie lange über die Aufgaben eines Landbriefträgers. Am Ende einigten sie sich darauf, daß Rolf Nyman eine Freundin erfunden hatte, die nicht existierte.
Wallander gab die letzte Zusammenfassung des Tages: »Nichts deutet darauf hin, daß er heroinabhängig ist«, begann er. »Das ist seine erste Lüge. Die zweite ist die, daß er eine Freundin hat – er ist allein im Haus. Um hineinzukommen, haben wir zwei Möglichkeiten. Entweder warten wir, bis er das Haus verläßt. Früher oder später tut er das, zumindest um einzukaufen. Es sei denn, er hat einen großen Vorrat angelegt. Aber warum sollte er das getan haben? Oder wir lassen uns etwas einfallen, um ihn aus dem Haus zu locken.«
Sie beschlossen zu warten. Zumindest ein paar Tage. Wenn dann nichts geschehen war, würden sie die Situation neu überdenken.
Sie warteten den 4. und sie warteten den 5. Januar. Nyman verließ das Haus zweimal, um den Hund zu füttern. Nichts deutete darauf hin, das er wachsamer geworden wäre. Unterdessen versuchten sie weiterhin, Einzelheiten über sein Leben in Erfahrung |414| zu bringen. Es war, als habe er in einem merkwürdigen Vakuum gelebt. Von der Steuerbehörde erfuhren sie, daß er ein niedriges Jahreseinkommen aus der Arbeit als Diskjockey bezog. Er hatte nie etwas von der Steuer abgesetzt, was irgendwie aus dem Rahmen fiel. 1986 hatte er einen Paß beantragt. Seit 1976 hatte er einen Führerschein. Wirkliche Freunde schien er nie gehabt zu haben.
Am Vormittag des 5. Januar setzte sich Wallander mit Rydberg zusammen und schloß die Tür ab. Rydberg meinte, daß sie noch ein paar Tage warten sollten. Aber Wallander trug ihm eine Idee vor, die es seiner Meinung nach ermöglichte, Nyman aus dem Haus zu locken. Gemeinsam beschlossen sie, diese Idee noch am Nachmittag vorzustellen. Wallander rief Linda Boman in Lund an. Am nächsten Abend hatte die Diskothek geöffnet. Ein dänischer Diskjockey sollte arbeiten. Wallander erklärte ihr seine Idee. Linda Boman fragte, wer die zusätzlichen Kosten übernehmen würde, da der Diskjockey aus Kopenhagen einen Vertrag mit ihr habe. Wallander sagte, sie könne die Rechnung an die Polizei in Ystad schicken, wenn es nötig würde. Er versprach, ihr innerhalb der nächsten Stunden Bescheid zu geben.
Um vier Uhr am Nachmittag des 5. Januar wehte ein beißend kalter Wind über Schonen. Eine Schneefront sollte von Osten her aufziehen und möglicherweise die südliche Küste streifen. Wallander versammelte die Ermittlungsgruppe im Sitzungszimmer. So kurz wie möglich erklärte er die Idee, über die er am Vormittag mit Rydberg diskutiert hatte.
»Wir müssen Rolf Nyman ausräuchern«, sagte er. »Offensichtlich bewegt er sich nicht unnötig aus dem Haus. Gleichzeitig sieht es nicht so aus, als sei er mißtrauisch geworden.«
»Vielleicht weil das Ganze unsinnig ist«, unterbrach ihn Hansson. »Weil er nämlich nichts mit den Morden zu tun hat.«
»Die Möglichkeit besteht«, gab Wallander zu, »aber im Moment gehen wir vom
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