Walled Orchard 01: Der Ziegenchor
täglich als Ersatz für die von den Spartanern herausgerissenen Weinstöcke gesetzt hatten, die ersten Früchte, erwarteten wir alle, reich wie Könige zu werden. Allerdings erwartete niemand von uns, noch zu Lebzeiten etwas von den Erträgen der frisch gepflanzten Olivenbäume zu haben, da in Attika ein Baum fast eine Generation braucht, um von Nutzen zu sein.
Dabei fällt mir etwas ein: Um die Geburt meines Sohns zu feiern und den kleinen Zeus ein für allemal loszuwerden, erfüllte ich meinen Eid ihm gegenüber und bepflanzte sein Land mit den besten Weinstöcken. Seit Kriegsende hatte ich das zwar immer wieder vorgehabt, 398
aber erst hatte es um seine Ländereien einen Prozeß gegeben – woraufhin ich dem kleinen Zeus einige gute Gerichtsreden schrieb, (damit versuchte ich mich zum erstenmal an einer solchen Arbeit) –, der sich eine ganze Weile hingezogen hatte, und danach war ich mit einem Stück beschäftigt gewesen. Als nächstes kamen damals zwei Brüder des kleinen Zeus auf dem Meer ums Leben, und da keiner von beiden Kinder hatte, gab es weitere Prozesse. Schließlich war alles geklärt, und der kleine Zeus war zum Eigentümer von fast fünfundzwanzig Morgen gutem, aber unbewachsenem Boden geworden. Ich bepflanzte ihm das ganze Land, wofür der Mann so dankbar war, daß es an Peinlichkeit grenzte, lieh ihm genügend Geld, damit er bis zur ersten Weinernte sorglos über die Runden käme, ließ mir von ihm versprechen, sofort zu mir zu kommen, falls er Hilfe brauche, und wünschte ihm viel Glück. Als ich das nächstemal an seinem Besitz vorbeikam, war ich über die enorme Veränderung erstaunt. Was einst ein nutzloser, vom Berghang herabtröpfelnder kleiner Bach gewesen war, war zu einem musterhaften Bewässerungskanal verwandelt worden, von dessen Nebenarmen das ganze Grundstück durchzogen wurde. Jede einzelne Rebe war sorgfältig abgestützt und fachkundig beschnitten und jeder Zentimeter Boden zwischen den Gräben für Gerste umgepflügt worden. Nirgends war auch nur ein Stein zu entdecken, und hinter einer aufwendigen, halbfertigen Mauer hörte ich eine unverkennbar laute Stimme den Auftritt des Chors aus Aischylos’ Persern vortragen. Ich rief seinen Namen, und der kleine Zeus, der größer aussah als je zuvor, kam herübergelaufen.
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»Ich glaube nicht, daß ich schon mal einen so beeindruckenden Weingarten gesehen habe«, begrüßte ich ihn erfreut.
Der kleine Zeus nickte begeistert und entgegnete: »Ich weiß, das hier ist der schönste in ganz Attika. Aber das ist noch nicht alles.« Er deutete auf einen Berghang.
»Dahinten habe ich zwei weitere Morgen erworben, Ödland, das keiner bebaut hat.«
Ich machte große Augen. »Aber da ist ja nichts als nackter Fels.«
»Na und? Du hast mich darauf gebracht«, entgegnete er.
»Alles, was ich hier tue, habe ich nach diesem Vorbild in Pallene und Phrearrhos angelegt. Immer wenn ich spürte, daß ich den Mut verlor, oder einfach nicht mehr weiterwußte, sagte ich mir: ›Was hätte Eupolis getan?‹, und schon war alles kein Problem mehr.«
Ich wußte nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. »Aber du hast hier mehr zustande gebracht, als ich jemals erreichte. Ich meine, das hier ist völlig außergewöhnlich.
Wo hast du die vielen Leute hergekriegt?«
»Welche Leute? Das habe ich alles allein gemacht.
Natürlich wollte ich von dem Geld, das du mir geliehen hast, nicht mehr ausgeben als unbedingt nötig, weil es nach meiner ersten Weinernte mindestens ein Jahr dauern wird, bevor ich es dir zurückzahlen kann, und…«
Den Gedanken, daß er sich auf dem Berg fast selbst umbrachte, nur um Geld zurückzuzahlen, das als Geschenk gemeint war – ich dachte, das hätte er begriffen –, konnte 400
ich kaum ertragen. »Um Himmels willen, zerbrich dir darüber doch nicht den Kopf!«
Er lächelte überglücklich, als wäre ihm ein Gott erschienen. »Das sieht dir ähnlich, Eupolis. Aber hierbei handelt es sich um eine Ehrenschuld. Also, wenn du kurz Zeit hast, würde ich gern deine Meinung über diese Spaliere hören. Meinst du, sie sollten noch eine Fingerlänge höher sein, oder sind sie schon zu hoch?«
Ich rechnete schon fast damit, irgendwo auf dem Grundstück eine Stätte anzutreffen, die dem heiligen Eupolis geweiht war, und war schließlich froh, mich verabschieden zu können.
Der kleine Zeus war zu jener Zeit nicht der einzige Mensch, der hart arbeitete, und mit der Rückkehr des Wohlstands kamen die athenischen Bürger
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