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Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Titel: Walled Orchard 01: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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eindringen wollten, und unsere Gegner sich in einem 406
    wirklichen Bürgerkriegszustand befänden. Damals habe für die Perser das gesamte Menschenpotential Asiens auf Abruf bereitgestanden, wohingegen heute die Sizilianer keineswegs darauf hoffen könnten, von unseren Feinden Unterstützung zu erhalten, da jeder wisse, daß die Spartaner niemals außerhalb Griechenlands in den Krieg ziehen würden. Genaugenommen dienten die oberflächlichen Vergleiche zwischen der Katastrophe in Ägypten und dem Sizilienprojekt lediglich dazu, unsere wunderbaren Erfolgsaussichten zu betonen.
    Und so weiter, Tag für Tag, wo immer sich zwei Athener begegneten. Denn wir Athener haben mit Vorliebe etwas, worauf wir uns freuen und worüber wir diskutieren können; und da sich alle so gern über Sizilien unterhielten, schlossen sie das Vorhaben selbst regelrecht ins Herz. Wie ich bereits erzählt habe, hatten wir alle seit Kriegsende hart daran gearbeitet, unsere Felder und Weingärten wieder ertragreich zu machen, was in diesem Zusammenhang nicht unterschätzt werden darf und durchaus ein Teil davon war. Athener mögen es nämlich, in kurzen Schüben hart zu arbeiten, doch die Aussicht, an ein und derselben Sache womöglich für den Rest ihres Lebens hart arbeiten zu müssen, erfüllt sie mit Trübsal und Schwermut, und mit der Zeit fühlen sie sich wie Sklaven auf dem eigenen Land.
    Auf der anderen Seite war bereits alles erledigt, was nutzbringend getan werden konnte – Weinstöcke, Oliven-und Feigenbäume waren gepflanzt, und es würde Jahre dauern, bevor man die Früchte seiner Arbeit genießen könnte. Was die Athener sich jetzt wünschten, war irgendein neues Vorhaben, vorzugsweise von 407
    unbegrenztem Ausmaß – etwas, das sie unvollendet an ihre Enkel weiterreichen konnten.
    Vor allem war es meiner Meinung nach die vollkommene Sicherheit des Unternehmens, die sie sosehr begeisterte. Denn selbst wenn wir den Krieg verloren hätten, was hätte uns das schaden können? Schließlich war es kaum wahrscheinlich, daß die Syrakuser an Bord ihrer Schiffe springen und uns verfolgen würden; und selbst dann, hätten wir zu unserem Schutz immer noch die Stadtmauern gehabt. Es gab keine Macht auf Erden, die in der Lage gewesen wäre, die Stadt zu erstürmen, und solange wir die Flotte besaßen, könnte uns keine Belagerung durch Aushungern daraus vertreiben. Was die Kosten des Krieges betrifft – war uns nicht versichert worden, daß Segesta und Catina und alle diese fetten, reichen Verbündeten in Sizilien die ganze Sache freiwillig bezahlen wollten? Waren nicht unsere Männer in diesen Städten gewesen und dort in Privathäusern als Gäste empfangen worden, und hatten sie nicht gesehen, daß jedes Gefäß, von der Mischschale bis zum Nachttopf, aus massivem Silber gefertigt war? Hatte man ihnen nicht die Böden der Tempelschatzkammern gezeigt, knietief mit Vierdrachmenstücken bedeckt?
    Das Problem als Komödiendichter ist jedenfalls, daß man alles aus dem Blickwinkel von Einzelpersonen sieht; wenn einem eine Absicht mißfällt, dann sucht man als Angriffsziel nach einem Menschen, einer angesehenen, prominenten Gestalt. Und dann greift man nicht deren Politik oder öffentliche Arbeit an – das ergäbe furchtbar langweilige Dichtung. Nein, man zieht über sie persönlich 408
    her, und besonders über ihr Geschlechtsleben, denn es scheint die allgemeine Ansicht zu herrschen, daß das erotische Treiben eines Mannes ein Musterbeispiel für seine sonstigen Aktivitäten sei. Nun traf es sich, daß der Mann hinter dem Sizilienprojekt im Bett alle möglichen komischen Dinge mit allen möglichen seltsamen Leuten trieb, und deshalb wurde ich von Tag zu Tag unwillkürlich mißtrauischer.
    Die ganze Angelegenheit war nämlich Alkibiades’ Idee gewesen. Die beste Alkibiades-Geschichte, die ich kenne, hat allerdings zufälligerweise nichts mit seinen sexuellen Betätigungen zu tun; wenn ich die Zeit dazu finde, werde ich Ihnen später darüber einige Geschichten erzählen.
    Nein, diese Geschichte entstand aus einem Witz über Perikles, und ich habe sie von Kratinos, darum dürfen Sie ruhig lachen, wenn Sie wollen.
    Als Alkibiades etwa zwölf oder dreizehn Jahre alt war, war sein Liebhaber niemand geringerer als Perikles höchstpersönlich; und das Ganze spielte sich ungefähr zur Zeit der Euböa-Krise ab. Wie Sie sicherlich wissen, stand Perikles vor dem Problem, der Volksversammlung seine jährliche Kostenabrechnung als Heerführer vorzulegen

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