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Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Titel: Walled Orchard 01: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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Schaden anzurichten. Mußt du dich jetzt auch noch an deiner Schadenfreude weiden?«
    Parmenides war kleiner als ich, und ich hatte keine Angst vor ihm. »Sieht das etwa wie Schadenfreude aus?«
    fragte ich ihn und schwenkte das thessalische Halsband unter seiner Nase. »Wo ist Phaidra? Ich will sie sehen.«
    »Sie hat mir aufgetragen, dir nicht zu sagen, wo sie ist«, erwiderte Parmenides in bestimmtem Ton, als wäre sein Haus so groß wie das Labyrinth. In Wirklichkeit war es ganz klein, und ich konnte über seine Schulter hinweg in den Hauptraum blicken. Dort war sie nicht, also mußte sie sich im Innenraum oder oben aufhalten.
    »Macht nichts, ich werde Phaidra auch so finden«, entgegnete ich. »Dazu brauche ich nur sämtliche Türen deines Hauses aufzubrechen, das ist alles. Also los, kleiner Zeus. Sieh dich schon mal nach einem Gegenstand um, den man als Hammer benutzen kann.«
    388
    Das Gesicht des kleinen Zeus hellte sich auf, denn er liebte es von ganzem Herzen, etwas zu zerschlagen – er hielt das, glaube ich, für ziemlich adelig –, schob sich an Parmenides vorbei und ergriff einen großen bronzenen Lampenständer.
    »Sie ist im Innenraum«, verriet Parmenides. »Und falls du irgendwas kaputtmachen solltest, werde ich einen Zeugen holen.«
    Ich dankte ihm und ging wie der auf Rache sinnende Odysseus entschlossen auf die Innentür zu. Als ich meine Hand darauf legte, hörte ich den Riegel nach oben gehen.
    »Dann wollen wir doch mal sehen, was man mit solch einem Lampenständer alles anrichten kann!« schrie ich, doch bevor der kleine Zeus die Gelegenheit hatte, damit zuzuschlagen, stand Parmenides neben mir und hämmerte mit den Fäusten gegen die Tür.
    »Phaidra, ich bin’s, dein Onkel!« rief er flehentlich.
    »Öffne bitte sofort die Tür. Ich wünsche keine Gewalt in meinem Haus.«
    Diese Worte verfehlten allerdings ihre Wirkung, woraufhin der kleine Zeus mit Heraklesmiene und dem Lampenständer in beiden Händen vortrat, doch ich hielt ihn zurück. Er zuckte die Achseln und stellte den Lampenständer genau dorthin zurück, wo er gestanden hatte, denn er war ein sehr ordentlicher Mensch.
    »Zum letztenmal, Phaidra!« rief Parmenides gerade.
    »Wirst du die Tür jetzt öffnen, oder soll ich den Tischler holen lassen?« Ich überließ ihm diese Entscheidung und schlich mich zur Tür hinaus. Dann ging ich um das Haus 389
    herum, und tatsächlich befand sich auf der Rückseite ein hübsches großes Fenster. Die Läden waren zugezogen, aber nicht verriegelt. Nachdem ich sie behutsam aufgeklappt hatte, kletterte ich hinein.
    Phaidra lehnte sich gegen die Tür und bereitete sich augenscheinlich innerlich darauf vor, dem Angriff des Lampenständers bis zum letzten Blutstropfen Widerstand zu leisten. Offensichtlich hatte sie mich nicht hereinkommen hören. Mit vorsichtigen Schritten, als ginge ich auf Eis, bewegte ich mich zu einem Stuhl neben dem Bett hinüber und setzte mich darauf.
    »Hallo, Phaidra«, sagte ich.
    Vor Schreck schoß sie etwa die Schrittweite eines Mannes auf der Stelle in die Höhe, fuhr herum und starrte mich entsetzt an.
    »Du hast das Fenster offengelassen«, klärte ich sie auf.
    »Leonidas wäre das nicht passiert und Demosthenes schon gar nicht. Du läßt nach.«
    Ich stand auf, trat ans Fenster und schloß und verriegelte die Läden, da ich keinerlei Unterbrechungen wollte.
    »Na, mach schon«, forderte sie mich auf, wobei ihre Stimme schleppend und schmerzverzerrt klang. »Sieh es dir gut an.« Sie streckte mir ihr Gesicht entgegen, als wäre sie ein Soldat beim Appell, der seinen Schild zur Untersuchung vorzeigt.
    Ich brauchte keine Einladung. Wegen der blauen Flecken sah es viel schlimmer aus, als es in Wirklichkeit war, doch erkannte ich auch so, daß es eine jener 390
    Verunstaltungen war, die ein ganzes Leben zerstören können, besonders in Athen, wo wir von Schönheit besessen sind. Aber ich bin stolz, sagen zu können, daß ich nicht schauderte oder in meinen Umhang spuckte, um das Glück zu beschwören.
    Statt dessen erhob ich mich, streckte ihr mein eigenes Gesicht entgegen, und sagte: »Anscheinend ist an der Behauptung was dran, daß sich Mann und Frau mit der Zeit immer ähnlicher sehen, wie? Jedenfalls tut es mir leid, daß dir das passieren mußte.« Dann holte ich das Halsband hinter meinem Gürtel hervor, legte es ihr um den Hals und küßte sie.
    »Narr«, flüsterte sie verlegen. »Was soll das, sich so an mich heranzuschleichen?«
    Ich legte meine Arme um

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