Wallenstein (German Edition)
fragt Ihr noch? Eure eigenen Schüler, die habt Ihr so weit gebracht. Gewiß. Mein Herzensbruder war Novize bei Euch, hat mir geraten, in Eure Andacht zu gehen. Ich hab’s nicht bereut, hab’ wohl gemerkt, daß Ihr alles recht wißt, und hab’ Euch in allem recht gegeben. Und so speist Ihr mich ab.«
Der Pater trat an den weinenden Mann, der sich den lumpigen Filzhut vor die Augen hielt: »Wer hat Euch in meine Andacht geschickt?«
»Wer? Wer?« äffte der andere widerspenstig und grimmig nach; stülpte sich nach kurzem Anstieren des Priesters den Hut auf, sprang mit zwei Sätzen auf das Bild des Franziskus, riß es am Rahmen herunter, raste, den starr stehenden Priester mit dem Bild wider die Brust stoßend, durch die aufgerissene Tür davon; die Kerze schlug er im Vorüberfahren mit dem Holz herunter, so daß er Finsternis hinterließ.
Nach einer Woche wurde dem Pater beim Betreten des Hauses vom Bruder Pförtner gemeldet, daß ein junger Mann ihn vor seiner Zelle erwarte. Der Pater konnte den zum Schutz begleitenden Pförtner gleich zurückschicken; den jungen Menschen, der da stand, erkannte er sofort. Erst als sie in die Zelle traten, bemerkte er, daß der gebräunte feingesichtige Mensch ein Bild am Boden herzog. Der Pater blickte ihn starr an: »Du warst das?« »Ich habe ihn nicht geschickt, Pater; er lief immer mit mir, er ist ein hilfloses Geschöpf. Das Bild hab’ ich ihm mit List abringen müssen. Hier habt Ihr’s wieder.«
»Ich danke dir. Hast du ein Anliegen? Stell es nur an die Wand.«
»Ich muß nicht sterben wie mein ängstlicher Freund, aber Ihr seht: ich bin hier.«
»Hast du ein Anliegen?«
»Ich will Euch nicht um ein Amulett bitten; kann ich Euch sprechen?«
Der Priester setzte sich ans Fenster, wo für Vögel Krumen gestreut waren: »Eure Eltern haben sehr gejammert um Euch.«
Der andere vor dem Bücherpult lächelte streng: »Ich habe mir einen wahrhaft geistlichen Beruf erwählt, sagt das, bitte, ihnen; ich bin Soldat geworden, jetzt unter der dritten Fahne. Ich muß wie die Engel und Teufel um meine Seele kämpfen; wer nicht stark ist, geht dabei unter.«
»Du dienst unter Tilly?«
»Fragt nicht nach mir, Pater. Was tut mir not, Pater?«
»Sprich dich aus, mein Sohn.«
»Ich hab’ ein Dutzend schwere Bataillen mitgefochten, gefangen war ich, bin entwischt. Ich hab’ jahrelang mein Leben geführt, seit ich Euch durchbrannte, wie’s mir guttat. Als mein Regiment Pikeniere aufgelöst wurde, hab’ ich gebettelt, gearbeitet, kein Gut getan; und wie ich unversehens hierherkam und Euch hörte, seht, Pater: da ist keiner gewesen unter allen, die da saßen, der so gelechzt hätte nach Euren Worten wie ich. Ihr müßt mir mehr sagen. Ich – brauch’ es.«
Bitter sagte der Priester: »Ihr hättet nicht nötig gehabt zu lechzen. Aber du bist ein junges Blut und bist gewiß, daß man dir verzeiht.«
»Sprecht mir von Gott.«
»Schlage du Menschen tot, Dänen, Schweden, und frage nicht nach Gott.«
»Wie steht es mit Gott? Als ich bei Euch lernte, aus Thomas und Aristoteles las, habe ich ganz vergessen zu beachten, was sie sagten; ich nahm es ohne Gedanken an. Jetzt brauch’ ich es; wie steht es mit ihm?«
»Du hast doch Angst, mein Lieber.«
»Wie muß ich von ihm denken, wenn ich lebe, und meinetwegen, wenn ich sterbe.«
Der Priester kauerte sich am Fenster, vor dem die Vögel sprangen, über seinem Schoß zusammen: »Das einzige, was not tut, ist, den Hochmut brechen. Du kannst nicht mehr tun, als Gott aus deinem Herzen reißen. Merk dir dies! Nimm dies auf den Weg. Ja, Gott aus deinem Herzen reißen. Vor dem ungeheuren ewigen Wesen hat jeder dumpfe freche Gedanke in dir zu verstummen; jedes Auge erblindet. Es ist noch zu wenig, wenn geschrieben steht: ihr sollt seinen Namen nicht mißbrauchen. Laß ihn mit deinem Sterben zufrieden. Sein Name, dir sage ich es, soll aus dir ausgerottet werden. Er soll nichts sein als der Warnungspfeiler vor einem grauenvollen Abgrund: ›Bis hierher!‹ Der gähnende Abgrund! Die Menschen, weder lebend noch tot, haben teil an ihm. Nichts ist uns von ihm gegeben. Wehe denen, die seiner nur gedenken. Du tust ja recht, mein Lieber, hast nicht nötig, mich zu fragen: tu, was dir beliebt, morde, raube, geh in die Kirche, schenke Almosen, liebe, verheirate dich – es ist ihm, ihm nicht dran gelegen. Wen schert das etwas! Die Menschlein! Ich bin nicht sein Anwalt. Aber sei gewiß: Gott lebt. Nur nicht unser.«
Der andre stemmte gebückt die
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