Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
Vom Netzwerk:
Kaiserhut, der Kurfürstenhut, der auf unserm Haupt liegt, nicht die Bischofsmütze, die Tonnen Gold, sondern das Grausen, das Entsetzen. Nicht besinnen können: nur das tröstet uns. Die Vergessenheit, der Rausch trägt uns betrügerisch über die Abgründe. Wofern wir sehen, rettet uns von Tod und Vernichtung nur die Furcht.
    Brecht, meine Knie! Mein Herz, laß deine Säulen zerfallen! Dach über mir, zerschmettere mich! Kommt angefahren, hundert Rohre, hundert Kartaunen, auf mich gerichtet, hier mein Herz, meine Augen. Ich bin gefroren. Ich kann doch noch immer lachen über euch. In die Luft verpafft ihr euer Eisen und Marmelstein. Ich kann beten, kann zittern!«
    Der kranke alte Herzog Wilhelm war über seinen Stuhl nach vorn gefallen, sein weißes Gesicht baumelte, sein Stuhl schwankte seitlich. Der Kurfürst griff mit harter Miene nach links gegen ihn.

    WIE DER Pater die Neue Feste herunterkam und unweit der Kunstkammer an den weiten Stallungen vorüberging, berührte ein unbewaffneter Mann in der Dämmerung seinen Ärmel und sprach ihn, als er sich umwandte und stehenblieb, an, indem er ihn bat, scheublickend, er möchte nicht mit ihm hier stehen bleiben vor den Augen der Passanten und fürstlichen Wächter. Rasch bogen sie in eine Seitengasse. »Ihr seid der Pater, der in der Frauenkirche gepredigt hat; ich habe Euch zugehört. Ich bin Tillyscher Soldat, möchte Euch sprechen.« »Was wollt Ihr«, fragte der sehr rührige Jesuit. Heiser, während er ihn aus samtenen Augen verzehrend ansah, bat der untersetzte bärtige Mann, der von der rechten Stirn herunter bis an den Mundwinkel eine blutrünstige Narbe trug, er möchte den Pater in einem geschlossenen Raum, wo er wolle, sprechen über Dinge, die ihm am Herzen liegen; er schwöre, keine Waffen zu haben, nichts Feindliches im Sinn zu haben; er brauche Hilfe. Sie gingen auf Umwegen am Jesuitenkolleg vorbei, stiegen von der Rückwand die Treppe des weiten Konventhauses hinauf. In der dunklen Zelle steckte der Geistliche eine Kerze am Türpfosten an; es war ein schmaler hoher Raum, völlig kahl; über einer Bücherreihe an einer Längswand hing das Bild des heiligen Franziskus in der Wildnis. Der Fremde setzte sich unter die Kerze, gab nach langem Zudringen des Paters Auskunft. Er sei von protestantischen Eltern im Österreichischen geboren, vor Jahren von einer Kommission bekehrt; seine Eltern seien verschollen oder getötet bei den Aufständen; und dann kam er nicht weiter, irrte mit den Blicken immer wieder zu dem großen Gemälde. Was dies Bild bedeute, wollte er dann wissen. Der Pater gab ihm Antwort. Dann stieß der Fremde rasch und hintereinander hervor: er käme – ihm sei prophezeit worden, er werde in diesem Jahr im Krieg umkommen in der Lombardei; er wolle ein Amulett, hätte kein Zutrauen zu einem andern, sei verzweifelt, verzweifelt. Und dabei knirschte der bärtige Mann mit den Zähnen, die Tränen standen ihm in den Augen, er schluckte, schluchzte, blickte den Priester erbärmlich an. Vorsichtig ein Lächeln unterdrückend, fragte der Priester, ob jener ihm wirklich zugehört habe. »Ihr habt ein Amulett«, bettelte dumpf der andere, immer den Franziskus anblickend, »Ihr wißt alles, ich habe Euch zugehört, gebt mir eins. Denkt an einen anderen.«
    »Mein Lieber, wenn Euch bestimmt ist, wie Ihr sagt, zu sterben, so wird Euch mein Amulett nichts helfen.«
    »Ich will nicht sterben, Ehrwürden. Mein Vater und Mutter sind schon tot um nichts. Ich hab’ nichts verbrochen. Nur Kummer und Plag’ hab’ ich gehabt, und jetzt soll ich sterben.«
    »Lieber, Ihr müßt Euch das mit dem Zaubermittel aus dem Kopf schlagen. Das ist verruchtes Soldatenwerk. Seid fromm, betet.«
    Erwartungsvoll blickte ihn der gehetzte Mann unter der Kerze an: »Wird mir Gott helfen?«
    »Betet.«
    »Aber wird er mir helfen?«
    »Ihr habt nichts zu fordern.«
    »Wozu soll ich beten, wenn es nicht hilft. Gebt mir ein Amulett.«
    »Mann, geht Eurer Wege. Ich habe mit Euch nichts zu schaffen.«
    Der Pater stand ruhig auf. Der Mann, die Fäuste ballend: »Ich bin doch kein Narr und Lump, daß Ihr mich so wegschickt und mit Worten abspeist.«
    »Ihr seid ein Narr. Und das ist noch wenig gesagt.«
    Der Soldat zitterte an der Tür, hinter seinem Stuhle stehend: »Weil ich nicht beten will? Es wollen andere auch nicht beten. Und mit ihnen springt man nicht so um wie mit mir; sie brauchen nicht sterben.«
    »Wer will aus deiner verruchten Gesellschaft nicht beten?«
    »Wer? Das

Weitere Kostenlose Bücher