Wallenstein (German Edition)
setzte sich die schwarze Kollonitsch, die Schleppe heraufwerfend, neben sie: »Aber ich habe ganz vergessen, dich nach dem Empfang zu fragen. Es waren so viele, weil wir dich trösten wollten. Und nun sag, hat es dich erfreut.« »Ihr seid freundlich und lieb. – Was war das eben nur? Verstehst du es. Ich hab’ mich erschreckt, nicht wahr?« »Ich hab’ mich selbst erschreckt, Leonore. Es war nichts. Also: es hat dich erfreut.« »Eins aber sag’ ich dir, Angelika«, damit beugte sich die Kaiserin vor, drehte den Kopf, runzelte drohend die Stirn, »ich habe nichts dazu getan, wenn es einen getroffen hätte. Ich habe mich erschreckt, und – wie sonderbar, ich bin eine Frau und kam auf den Einfall, ihn totzuschlagen.« Sie zitterte wieder heftiger, ihr Kleid raschelte.
»Es war herrlich, wie der Chor sang.« Die Kaiserin schüttelte den Kopf, träumte mit wandernden Augen: »Ja, Angelika.« Später: »Ich bin besessen, Angelika, ich fürchte mich. Sag es nicht weiter. Wenn es der Bamberger Bischof erfährt, der Philipp Adolf, macht er einen Hexenbrand aus mir. Lache nicht. Wie ist es möglich?«
Sie nahm, als die Kollonitsch gegangen war, gedankenlos den kleinen Spiegel vom Tisch. In einem sechseckigen Elfenbeinrahmen stand er; ihn umgaben Menschen, Männer und Frauen, nacktleibig sich um seine geschliffene Randung hebend, schwimmend gegen die Höhe, auf der der Weltenrichter Christus thronte mit dem Schwerte, angebetet kniefällig von zwei Gestalten. Ohne sich zu sehen, hielt sie ihn vor ihr Gesicht; dann erblickte sie sich, bedeckte den Spiegel mit der Hand: »Wie kann ich ihn verwünschen, wenn ich selber so bin. Ich bin vom Teufel besessen. Ich bin’s. Er ist in mich gefahren und hat mich.«
AUS HALBERSTADT am vierten Tag nach der Schlacht machte sich der blasse deutsche Leutnant Regensberger mit einem Brief des verwundeten frommen Generals auf. Wurde in Wien sogleich vor den Fürsten Eggenberg geführt. Die Girlanden wanden sich am Plafond des langen rechteckigen Raumes in dem Kerzenlicht; dem jungen Reiter, der zu erzählen anfing, träufelten die Tränen aus den Augen. Der alte Fürst behielt ihn bei sich. In vollster Bestürzung bat er seine Freunde Trautmannsdorf und den Abt Anton zu sich. Sie fanden ihn, als sie nach Stunden eintrafen, noch auf demselben Stuhl sitzen, auf dem er den Leutnant angehört hatte, grau im Gesicht, vergrämt das Kinn aufstützend. Er sei, gab er kopfschüttelnd von sich, keines Gedankens mächtig, sie möchten selber lesen, was des Feldmarschalls Tilly Liebden geschrieben habe von der Schlacht mit dem König aus Schweden.
Und während sie lasen, jammerte er, er könne nicht denken, er werde gehen, er müsse sich zurückziehen vom Hofe. Im seidenen blauen Schlafrock schlürfte er über den Teppich; sie sprachen unter sich; er saß da, spielte mit seinen kalten blauen Händen, hörte nicht zu, und plötzlich blickte er sie kläglich nacheinander an, horchte, was sie redeten, als wenn er sein Urteil erwarte.
Der bucklige Graf sezierte mitleidlos, die Augen klein kneifend: jetzt könne jedenfalls das Reich auseinanderfallen, auch mit den Kurfürsten; man hätte sich ja vorher gefürchtet, ohne sie zu bestehen. Der Fürst wandte sich fast verzweifelnd an den Abt, der ihn traurig ansah: aber er hätte ja gerade die Kurfürsten gewählt, weil sie ihm sicher schienen für das Reich, sicherer als der Friedländer. Trautmannsdorf schob frostig die Arme aneinander, beschnüffelte den Brief: man habe sich eben getäuscht, getäuscht, getäuscht. »Was nun?« flehte der Fürst. Abt Anton strich ihm die Hände, Trautmannsdorf blieb dabei, die Hauptsache sei, zunächst zu sehen, daß man sich getäuscht habe. Eggenberg winselte: »Was wollt Ihr von mir. Ihr wißt, wie ich mich dem Erzhause und Kaiserhause gewidmet habe, wie ich es gemeint habe mit dem Kaiser von seiner Jugend auf. Ich habe mich getäuscht, Ihr hättet es verhindern können. Rettung, seid gnädig, Trautmannsdorf.« Anton stellte sich hinter den Fürsten, sanft sprechend neben seinem Ohr: »Ihr tut ihm ja unrecht, Fürst. Er will Euch nicht quälen, er will nur Klarheit. Ihr kennt ihn doch.« Trautmannsdorf: »Schlüsse zu ziehen aus der Situation ist ganz überflüssig. Man braucht nur die Ausgangsdaten nebeneinander zu stellen, so ergeben sich die Schlüsse von selbst.« Angstvoll hing Eggenberg an seinem ruhigen Gesicht, drängend: »Wie also?« Der Graf trommelte nervös, er wolle seine Weisheiten schon dem Fürsten
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