Wallenstein (German Edition)
ihn nichts an. Mit weißlichhellen Augen blickte Ferdinand leicht zerstreut auf den kleinen Geheimrat, in den Raum hinein, seitlich auf die bernsteinbesetzten Fächer seines Schreibkabinetts.
Ferdinand brachte seine irrenden Blicke einen Augenblick zur Ruhe, heftete sie weich auf das ängstliche fragende Geschöpf, das ihn liebte: »Eggenberg, treuer Eggenberg, was seid Ihr verstört. Hat Euch der Regensberger solche Furcht gemacht. Geht hin zum Friedländer. Er ist unser Schwert. Nehmt es nur wieder.« Vergnügt fuhr er fort: »Ich weiß zwar nicht, ob er jetzt zarter zugreift als die vergangenen Jahre. Auch wird er sich einen guten Lohn im Reich holen. Dafür ist er unser alter werter Friedländer. Holt ihn nur. Er soll wieder kommen. Er wird sich freuen, daß es ohne ihn nicht gegangen ist.«
Und als der alte Mann sich verneigte, verabschiedete er ihn zwischen Summen und Pfeifen, sich tiefer zwischen die faltenwerfenden Männer, die betenden Frauen, singenden Mädchen drängend.
Ohne Mantel Hut Wehrgehenk kam abends Ferdinand der Mantuanerin an der Tür seiner Anticamera entgegen; man schloß die Türen. Eleonore raffte ihr goldfarbenes Kleid vorn, drückte ihn, auf ihn rauschend, auf die Fensterbank, drückte auf seine Schultern mit den Fäusten, das Gesicht an seine stopplige Wange reibend: »Tu mir das nicht an. Nimm ihn nicht. Ich will es nicht haben.« Dann: »Willst du mich ermorden, nimm ihn. Was hast du es auf mich abgesehen?« Dann: »Ich lass’ es nicht zu. Niemals, niemals. Und wenn ich dich wieder und ganz verlassen sollte.« Das Gesicht von ihm entfernend, ihn anstierend: »Mann, du, wer bist du, daß du das alles anhörst. Daß du hier so sitzest. Vor mir. Nein, ich lass’ es nicht zu. Ich siedle mich auf den Trümmern von Mantua an. Bei den Ursulinerinnen, und zeige der Welt: so geht es einem Weib, einer Ehefrau, der angetrauten Frau des deutschen Kaisers.« Er ließ sie gewähren, zog sie an der Hüfte neben sich, an ihrer langen Perlenkette spielten seine Finger, leise begütigte er: »Du warst schon in Regensburg so wild. Ich muß überall herumgehen und trösten. Ich hatte noch nie soviel gutzumachen und zu besänftigen wie jetzt. Eben erst unsern guten Eggenberg.« Und er ging zum Nachtmahl. Sie begleitete ihn nicht.
Hinterher schmauste und pokulierte er im langen Spanischen Saal, wo die ganze Wand quadratisch gefeldert war und aus jedem Holzquadrat ein Fürstenbildnis des Pietro Rosa aus Brescia herblickte. Sechzig Fürsten blickten in der Runde, wie Ferdinand zwischen seinen lustigen Kämmerern, Offizieren, Gästen Bären Tannenzapfen Windmühlen Lastwagen Schiffe als Trinkgeschirre vor sich anfahren ließ und sie im Kreise fuhren; wie man Hund und Katze zusammen ans Bein eines fetten Schweins band, das der Kaiser mit seinem goldenen Degen durch den Raum jagte. Ein brauner kurzschwänziger Affe saß in der Mitte der Tafel, trank an Kannen, stieß sie im Sprung um. Der Kaiser war alle Abende von gleichmäßiger unbeweglicher Heiterkeit.
AN MAXIMILIANS Hofe hielt man ein kleines mißwachsenes menschliches Geschöpf als Narren, ein Wesen von einer unglaublichen Gefräßigkeit. Meist lungerte er um die Küchen Keller Tafeln Bankette – wie er sagte, den Mist zu prüfen, auf dem sein Spargel wuchs. Er verabscheute ehrlich die Fresser und Saufer, sie hatten mit ihm nichts zu tun. Bäuche von Schweinen, Kälberknorpel, der schön gedämpfte und gepfefferte Rindermagen bedeuteten ihm mehr als Leibesfüllung. Wie ein Pferd beim Klingen der Musik ins Tänzeln gerät, so bewegte sich sein schlafffaltiges blaurotes altes Gesicht, sein Herz belebte sich, seine Hände griffen zum Gabelrapier, wenn die würzigen Gerüche in sein Näslein zogen.
Er ging den Speisen wie ein Kämpfer entgegen. Mit seiner Beute hockte er sich beiseite hin, hielt sie wie einen noch nicht bezwungenen Widersacher unter sich. Er liebte es, daß man ihn allein ließ, ihm nicht zusah. Knurrte wie ein Hund beim Essen. Lang ließ er die dicke wulstige Zunge über die Zähne hängen, die Hände hoben die Speise, der Mund schnappte ihr entgegen. Wenn die Vertilgung der Speisen vor sich ging, die Soßen wie Blut aus den Mundwinkeln rannen, fing das Schnalzen Schmatzen Knacken Knuspern Reißen Schlürfen Knirschen an. Hier wurde nicht gefressen und geschlungen, sondern völlig vernichtet und restlos einverleibt. Und dies war der Vorgang, der ihn berauschte. Er konnte es nicht unterlassen, wüste Bemerkungen dabei auszustoßen,
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