Wallenstein (German Edition)
mir spielen, ich war es meinem Amt schuldig, Eleonore, nicht nachzugeben.« »Deinem Amt? Nein dir, dir. Und mir? Mir bist du nichts schuldig. Mir wird meine Heimat zerschlagen, wie man eine Ketzerstadt zerschlägt; wie man Magdeburg zerschlagen hat.« »Auch in Magdeburg haben Frauen und Kinder geweint. Ich hab’ es vorher gewußt.« Sie hatte ihren Schleier zurückgeworfen, ein weißglühendes Gesicht bot sie ihm, der Wagen hatte angezogen, sie fuhren langsam über Schutt. Dicht saß sie an ihm, beide Hände an ihren Schläfen, flüsternd: »Versteh mich doch recht, Ferdinand. Wenn in Magdeburg die Frauen weinen und du dennoch befohlen hast, die Stadt zu verwüsten – ich fasse es nicht. Und wenn die Frauen weinen, meinetwegen, sag, es sind beliebige Frauen. Aber ich, Mantua, sieh doch, Mantua, wohin du mit mir reist.« »Ich muß trauern, mein Kind, gewiß, mit dir. Um diese schöne Stadt und für dich.« Sie stierte ihm lange ohne Verständnis in die ruhigen wehmütigen Augen; sagte dann zögernd: »Weißt du, Ferdinand, böse sein von Natur ist ein Unglück, der Mensch ist wohl dann wehrlos gegen seine Mitgift. Aber wie du böse sein wollen, wissen, daß man böse ist, das ist mehr als schlecht und sündhaft.« »Wie ist es dann?« »Grausig, du fragst noch? Das willst du auch wissen? Ekelhaft. Ich hab’s gesagt.«
Ihre Augen brannten gegen ihn, sie riß den Schleier wieder herunter. Sie fuhren schweigend in einem Nebelmeer. Er fing an: »So ist mein Amt, so bin ich durch mein Amt geworden. Es gab einmal eine Zeit, wo ich dich in jedem Punkt verstanden hätte; als ich diesen Wallenstein nach Ungarn hinter den Mansfeld geschickt hatte und mir Schandtaten gemeldet wurden. Damals wollte ich ihn wegschicken. Er bot es selbst an, meine Zweifel erschienen ihm komisch. Alle Räte widersprachen mir, die frommen Patres. Ich habe mich gewöhnt daran. Jetzt kenne ich nichts anderes.«
Beim Kloster der Ursulinerinnen vor der Stadt hielten sie im Nebel. Nach einer Weile stiegen sie aus. Durch ein Seitentor traten sie in die Kapelle. Der langgedehnte dunkle Raum, schwankendes Licht von brennenden Kerzen am Altar vor aufblinkenden bunten Bildern. Seitlich von oben tönte eine männliche tiefe Stimme. Die Nonnen kniend, kopfgebeugt, Reihe hinter Reihe.
»Ihr fühlt, es graut euch, ihr seid ausgestoßen, weil ihr Weiber seid. Ja, ihr ängstigt euch, der Fluch liege auf euch. Der Teufel treibt sein Spiel mit euch; gegen wen Satanas am grimmigsten seine Zähne fletscht, dem hält er ein Weib vor; so wäre es das beste, man rottete das ganze weibliche Geschlecht auf einmal aus.
Oh, verzagt nicht, christliche Schwestern, o gedenket, daß ihr Menschen seid. Gedenket dessen, der für uns alle am Kreuze hing.
Seine Mutter war Maria. Ja, Jesus hatte eine Mutter. Stündlich seht ihr Christum, den Herrn, am Kreuze hängen, seht seinen klagenden Mund, seine brechenden Augen, ihr weint über die Löcher, die in seine heiligen Glieder gerissen sind, ihr seht den strömenden Blutquell aus seiner Seite, mit dem er die Welt beglücken kam.
Ihr seht Jesum hängen.
Maria habt ihr nicht gesehen.
Es ist nicht ihr Bild, das glückselige Lächeln der Mutter. Die Hingestrecktheit vor dem Kreuze ist es, der Graus, die Erstarrung unter dem, was ihrem Sohn geschah.
Die goldenen Haare, die wonnigen Lippen, die Brust, mit der sie ihn einmal stillte, die Arme, mit denen sie ihn einlullte, der Schoß, in dem sie ihn trug, die Füße, auf denen sie mit ihm herumwandelte. Maria habt ihr nie gesehen.
Sie hing nicht am Kreuze wie ihr Sohn. Ehe ihr Sohn geboren war, war sie fast vernichtet worden, hatte sie schon alles durcherlebt. Allen Schmerz, den ihr Sohn grausend und zu unserem Heil durchfühlen mußte, hatte sie vorgefühlt. Denn in ihres Leibes Fleisch fraß die Liebe Gottes, die zehrende, zerreißende, schmelzende. Gottes Liebe zu Maria ist nicht wie das Blatt einer Rose, das über ein Gesicht fällt und streifend einen Duft hinterläßt, unter dem sich die Augen glückselig betäubt schließen. Es ist kein Flötenhauch, Sommerfaden vor dem Wind. Wen Gott berührt, der weiß nur, was Sterben heißt. Bitter, so bitter voller tötender Stacheln ist seine Wonne. Wen Gott berührt, der weiß nicht, daß dies die Berührung Gottes ist. Er kennt keine keine Beruhigung. Wer so empfangen wird, dem kann nur Tod und Ewigkeit mitgegeben sein auf seinen Weg und kann nicht lange auf dieser Erde verweilen. Als Gott Maria berührte, wurde für Jesum das
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