Wallenstein (German Edition)
Blumen, Gewittern trotzt.
Gebückt auf der Purpurbank sitzend, den graubärtigen Mund leicht geöffnet, empfing der Kaiser ihren Anblick, warf ihnen Hände entgegen. Sein Kopf versank zwischen den hochgedrängten Schultern, der hohe weiße Hermelinkragen schob sich über den Nacken und hinter die Ohren herauf. Seine Beine breit nebeneinander gestellt schoben seinen Körper hoch. Er wand die manschettengeschmückten Arme aus dem schweren Thronmantel. Sie rauschten sicher an ihm vorbei, ihre starken lächelnden Leiber beugten sie vor ihm; er schwang stumm, wie er ihnen entgegenstrahlte als einer glücklichen Selbstverständlichkeit, beide Arme seitlich zu der herrischen trauervollen Frau neben ihm, als wenn er sagte: Nicht mir. Sie lächelte, und als wenn sie sich an der schmetternden stoßenden Musik und der herangeführten Menschenpracht wärmten, verdunkelten sich ihre Augen und schwammen in Feuchtigkeit.
Immer erneut die festen Münder zum Essen Trinken Beten Singen, knierauschende Atlaskleider, von weißen bloßen Armen gebändigt, ohne Scham auf den wandernden Postamenten das begierige Herz, der weinsüchtige Magen. Die goldenen Posaunen bliesen, das Tageslicht verfinsterte sich unter Wolken, es wurde in dem ungeheuer durchschrittenen Saal keinen Augenblick bemerkt.
Die Kaiserin, von blauem Samt lose umflossen, an ihrem goldenen Brustkreuz spielend, saß auf einem überdeckten Balkon, die Füße auf eine niedrige Bank ausgestreckt. Die stumpfgesichtige Gräfin Kollonitsch, vollbusig milde, lehnte sich über das marmorne Balkongitter, einen Arm um das Bein einer Amourette, blickte freudig und erschöpft in das grüne Blättergewühl des Parkes, trällernd. »Wem siehst du nach?« fragte die Kaiserin. »Ich? Wem seh ich nach? Ich seh in die Bäume.« »Wer läuft da? Ich höre doch jemand laufen.« »Im Park, Lore?« »Ja wo denn. Wer läuft da?« Die Gräfin, noch in Atlas, dunkle Nelken in dem hochfrisierten Haar, gegen den Stuhl der Kaiserin, die sich auf dem linken Ellenbogen hochstemmte, sah zu ihr fragend herunter.
Wie die sich ganz aufgerichtet hatte, gespannt nach dem Park hinhorchend, klang von unten ein unsicheres Scharren, absatzweise, als riebe jemand an einem Baume, als fiele ein Ast, glitte einer vorsichtig über Sand. Im Nu war die Kaiserin auf den Füßen. Blick, Mienen, Hände rasten: »Hörst du nicht, wer ist da. Da unten geht einer.« Die junge Kollonitsch wich ängstlich gegen die Balkontür, die Kaiserin, scharf herunteräugend, wo nur grüner Park und Kieswege waren, sprang zurück, suchte an der Gräfin: »Was hast du da. Hast du keinen Stein oder ein Messer.« Sie lief in das Zimmer, die Gräfin wollte zur Tür, die Wache rufen, die Kaiserin hielt sie mit wildem Ausdruck fest: »Ganz still.« Riß eine Pike, ein kleines Handbeil von der Wand; die Pike ließ sie neben sich fallen, mit dem Beil stürzte sie an das Balkongitter, nach kurzem Suchen schleuderte sie die angehobene aufblitzende Waffe zwischen die Bäume. Horchte herunter; als alles still blieb, lief sie an der sprachlos stehenden Gräfin vorbei wieder in das Zimmer, zerrte die Pike hinter sich, keuchte, suchte den riesigen Schaft auf das Gitter zu ziehen.
Und als er da oben lag, keuchte sie hochrot: »Komm hilf.« Die kam langsam an, faßte, immer die Kaiserin anblickend, den Schaft mit an. Einen Moment streifte die Kaiserin ihr bewegungsloses fragendes Gesicht mit einem Blick, blieb dann an ihrem Gesicht hängen, Hand an Hand mit ihr den Schaft haltend. Sie sahen sich an.
Die Kollonitsch fragte bittend, leise: »Was machen wir?« Die andere schob noch an dem Schaft, suchte unten zwischen den Blättern, heftete sich ruhig an die ratlosen Mienen der Gräfin, ließ mürrisch, verlegen, noch fliegend von der Stange: »Sieh, wer da unten ist.« Die Gräfin stand steif: »Es kann doch niemand in deinem Park sein.« Lange sah die Kaiserin, leicht am ganzen Körper zitternd, vom Balkon herunter; dann sich zurückwendend: »Denk, wenn das ein Mensch gewesen wäre, wäre er tot.« Die Kollonitsch schleifte die Stange ins Zimmer; wie sie bei der anderen stand, sich die Handteller rieb, hauchte sie: »Es ist ja keiner unten gewesen.« »Laß mich, laß mich«, wehrte die Kaiserin ab, die sich heftiger zitternd und sehr blaß, seufzend auf ihren Sessel fallen ließ, um ihre Fußbank bat. Sie wiederholte mit grellen Blicken gegen den Balkon: »Denk, ich hätte ihn umgebracht, wenn es ein Mensch gewesen wäre.«
Nach kurzem Besinnen
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