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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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obwohl er bisweilen halbtot dafür geschlagen wurde; er lästerte von dem neuen besseren Meßopfer, das er vollzog, jetzt werde er Kalb mit dem Kalb, Schwein mit dem Schwein, Fisch, Kapaun. Er vollziehe das Meßopfer nicht zum Himmel herauf, sondern nach unten herunter. Rachedurstige Äußerungen stieß er aus, ihnen die frommen Gedanken zu besudeln, widerstandslos von der Inbrunst des Wütens und Wühlens geschleudert. Und so empfing er bisweilen, wenn er böse gelaunt war, irgendwelchen Edlen vor der Kirche oder der Neuen Kapelle, würdevoll gespreizt einen Rinderknochen mit einem Fähnlein auf seinem Spieß vor ihnen tragend, wie ein Chorknabe Räucherbecken oder Kruzifix, keifend, näselnd: »Auf zum Gebet vor dem Rehbraten. Auf zum Speikübel und Nachttopf. Auf, meine lieben Herren, lasset nicht nach, nicht nach im Eifer. Gehet in euch!«
    An diesen Tagen waren die Herren und Damen an der Tafel sehr empfindlich gegen Lärm, man mochte ihn nicht hören. Der Zwerg wurde unter dem Tisch aus seinem Winkel hervorgezogen; wie schlaftrunken hing er, kauend speichelnd stöhnend knurrend, in den Händen der Pagen, die ihn schüttelten. Er schlug um sich, wußte, daß er nicht wie ein Hund knacken und knirschen sollte. Gestäupt und wieder eingelassen, schleppte sich das gebückte klingelnde Mißgeschöpf an den Tafeln entlang in seine Ecke, bald schweigend in Wut, bald die Tische mit einem Wust von Giftigkeiten überquasend, ruckweise anhaltend, unter seinem Asthma keuchend, beschämend mit Zoten und Unflat die jungen Hansen und Pagen, die wartenden Kämmerer.
    »Er tut es gern, das Knirschen, er tut es gern«, schrie triumphierend der jesuitische Beichtvater, nach hinten blickend auf ihn, wie er vorbeigetrieben wurde. Mit Abscheu sah der Zwerg, wie die Herren vor den vollen Schüsseln speisten, sanft gedankenlos die erlesenen Gerichte in die Münder steckten, sich leise unterhielten, der Musik lauschten. Der Verrat an den Speisen; die Lumpen vor diesem Braten. Er taumelte vor die Tür. Der seidenbehängte Oberstkämmerer wandte sich angewidert über seinen Teller.
    In den Grottenhof der Residenz wurde am Nachmittag der Zwerg geführt. Da ging eben hinaus der alte langbärtige Angermair, Elfenbeinschreiner, traurigen Gesichts; einen ganzen Tisch mit Elfenbeinmustern trugen ihm zwei Gehilfen nach. Zwischen ausgebreiteten Kartons und Wandteppichen stand inmitten des blumigen Hofes der üppige schwarzlockige Hans van der Biest, Maler; Maximilian hörte ihm nicht zu. Neben dem Kurfürsten, der im knappen spanischen Kostüm am Springbrunnbecken saß, stützte sich der junge Küttner, der Rat, auf den silbernen Kavalierdegen, sein Gesicht zuckte. »Ich will mich ekeln«, spielte Maximilian mit dem Messer; der Maler zog sich auf Küttners Handbewegungen unter stolzen Verbeugungen zurück.
    »Küttner, der Arzt hat mir befohlen, ich soll mich ekeln. Das helfe mir am raschesten.« »Ich weiß, Kurfürstliche Gnaden. Da ist der Narr.« »Fang an«, stieß Maximilian hervor. »Was soll ich?« schrie der angetriebene Narr bleich. »Fang an, Bärenhäuter.« »Was soll ich anfangen?« »Willst du anfangen, Schelm!« »Was schimpft Ihr mich Schelm, Schuft, Bärenhäuter. Reißt doch Euer Maul selbst auf und sagt, was Ihr wollt.« Müd drehte Maximilian den Kopf zur Seite, leise: »Sprecht Ihr mit ihm, Küttner. Macht es kurz.« Küttner, der feine junge Mensch, stolz, französisch elegant, ging, den Degen in der Hand, auf den Narren mit den weiten Nasenlöchern los, wispernd: »Mach deine Späße, Hund; du weißt, wozu du da bist.« »Der Hund, wozu der da ist? Zum Fressen, du geleckter Welscher.« »Du, du bist Narr, weißt nicht, was du zu tun hast.« Küttner schwenkte zornig die Klinge; er kam aus Paris, lebte wenig am Hof, wußte nicht; was die Künste des Geschöpfes waren. Der Kurfürst blickte beiden stier und erbittert zu; so apathisch war er, daß er nicht imstande war zu sprechen: »Fang an, fängst du an!«
    Von der Terrasse stieg ein zahmer Storch mit seinen hohen roten Stelzen feierlich näher, von Zeit zu Zeit wuchtig in den sumpfigen Boden hackend; er ging dem Wasserlauf nach, der zu dem Springbrunnen führte. Küttner begann in seiner Ohnmacht den Zwerg mit der flachen Klinge zu prügeln. Maximilian, die Fäuste ballend, verfolgte die Szene. Der Zwerg sprang erbost unter dem Hageln der Hiebe herum. »Friß. Er soll fressen«, schrie Maximilian. Der Zwerg machte sich heulend los: »Was soll ich fressen? Was soll ich

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