Wanderer, Kommst Du Nach Spa ... Großdruck
Stuhl und folgte ihr.
»Bring das Beste, was du hast.« »Das Beste, was ich habe?« fragte sie ratlos.
Sie wischte ihre Hände am Kittel ab. »Ich hab Kartoffeln geschält, entschuldige.« Dann gab sie mir ihre Hand; ihre Hand war noch immer klein und fest, eine hübsche Hand. Ich setzte mich auf einen Barstuhl, nachdem ich von innen den Riegel vorgeschoben hatte.
Sie selbst stand ziemlich unschlüssig hinter der Theke.
»Das Beste, was ich habe?« fragte sie ratlos.
»Ja«, sagte ich, »los.«
»Hm«, machte sie, »ist aber sündhaft teuer.«
»Macht nichts, ich hab Geld.«
»Gut«, sie wischte noch einmal ihre Hände ab. Die Zungenspitze erschien zum Zeichen äußerster Ratlosigkeit zwischen den fahlen Lippen.
»Hast du etwas dagegen, wenn ich mich mit meinen Kartoffeln zu dir setze?«
»Aber nein«, sagte ich, »los, und trink einen mit mir.«
Als sie verschwunden war hinter dieser schmalen, braunen, verkratzten Tür, die zu ihrer Küche führte, blickte ich mich um. Es war alles noch wie voriges Jahr. Über der Theke hing das Bild ihres angeblichen Mannes, eines hübschen Marinesoldaten mit schwarzem Schnurrbart, ein buntes Foto, das den Burschen umrahmt von einem Rettungsring zeigte, auf den man »Patrie« gemalt hatte. Dieser Bursche hatte kalte Augen, ein brutales Kinn und einen ausgesprochen patriotischen Mund. Ich mochte ihn nicht. Daneben hingen ein paar Blumenbilder und süßlich sich küssende Paare. Alles war wie vor einem Jahr. Vielleicht war die Einrichtung etwas schäbiger, aber hätte sie noch schäbiger werden können? An dem Barstuhl, auf dem ich hockte, war das eine Bein geleimt – ich wußte noch genau, daß es bei einer Schlägerei Friedrichs mit Hans kaputtgegangen war, einer Schlägerei um ein häßliches Mädchen namens Lisette –, und dieses
Bein zeigte noch genau die trostlose Rotznase von der Leimspur, die man vergessen hatte, mit Glaspapier wegzureiben.
»Cherry Brandy«, sagte Renée, die in der Linken eine Pulle und unter den rechten Arm geklemmt eine Spülschüssel mit Kartoffeln und Kartoffelschalen trug.
»Gut?« fragte ich.
Sie schnalzte mit den Lippen. »Beste Qualität, mein Lieber, wirklich gut.«
»Schenk ein, bitte.«
Sie stellte die Flasche auf die Theke, ließ die Schüssel auf einen kleinen Hocker hinter der Theke gleiten und nahm zwei Gläser aus dem Schrank. Dann füllte sie die flachen Schalen mit dem roten Zeug.
»Prost, Renée«, sagte ich.
»Prost, mein Junge!« sagte sie.
»Nun erzähl mir was. Nichts Neues?«
»Ach«, sagte sie, während sie flink die Kartoffeln weiterschälte,
»nichts Neues. Ein paar sind wieder mit Geld durchgegangen, Gläser haben sie mir kaputtgeschmissen. Die gute Jacqueline kriegt wieder ein Kind und weiß nicht von wem. Regen hat es geregnet, und Sonne hat es geschienen, ich bin eine alte Frau geworden und mache hier weg.«
»Weg machst du, Renée?«
»Ja«, sagte sie ruhig. »Du kannst es mir glauben, es macht keinen Spaß mehr. Die Jungen haben immer weniger Geld, werden immer frecher, die Schnäpse werden schlechter und teurer. Prost, mein Junge!«
»Prost, Renée!«
Wir tranken beide das wirklich gute, feurige rote Zeug, und ich schenkte sofort wieder ein.
»Prost!«
»Prost!«
»So«, sagte sie endlich und warf die letzte geschälte Kartoffel in einen halb mit Wasser gefüllten Kessel, »das genügt für heute. Jetzt will ich mir die Finger waschen gehen, daß dir der Kartoffelgeruch aus der Nase kommt. Stinken Kartoffeln nicht gräßlich, findest du nicht, daß Kartoffelschalen gräßlich stinken?«
»Ja«, sagte ich.
»Du bist ein guter Junge.«
Sie verschwand wieder in der Küche.
Der Cherry war wirklich großartig. Ein süßes Feuer aus Kirschen floß in mich hinein, und ich vergaß diesen dreckigen Krieg.
»So gefall ich dir besser, wie?«
Sie stand nun richtig angezogen in der Tür mit einer gelblichen Bluse, und man roch, daß sie ihre Finger mit guter Seife gewaschen hatte.
»Prost!« sagte ich.
»Prost!« sagte sie.
»Du machst wirklich weg, das ist nicht dein Ernst?«
»Doch«, sagte sie, »mein voller Ernst.«
»Prost«, sagte ich und schenkte ein.
»Nein«, sagte sie, »erlaube, daß ich Limonade trinke, ich kann so früh nicht.«
»Gut, aber erzähle.«
»Ja«, sagte sie, »ich kann nicht mehr.« Sie blickte mich an, und in
ihren Augen, diesen verschwommenen, geschwollenen Augen, war eine furchtbare Angst. »Hörst du, mein Junge, ich kann nicht mehr. Das macht mich verrückt,
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