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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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wallt das Blut zu sehr, um nicht auszuschweifen. Emprunts forcés und ›gezwungene Freiwillige‹ gehören in die Kategorie des schändlichsten Nonsenses.«
    In der ganzen Reihe der Briefe stehen diese beiden einzig da. Nirgends sonst begegnen wir einer ähnlichen Indignation, und leider am unrechten Orte. So wenigstens erscheint es mir. Ein Allerhöchstes stand auf dem Spiel und die Rücksicht auf den Einzelnen mußte hinschwinden neben der Rücksicht auf das Ganze. Daß die Formen unter Umständen etwas artiger und gewählter hätten sein können, mag zugestanden werden. Aber die Dinge lagen so pressant, daß auch zu »Formen«, die meist Zeit kosten, keine Zeit war.
    Auch der alte Freiherr, vermut' ich, konnte sich gegen Sätze, wie diese, nicht verschließen, und vielleicht war es gerade das, was ihn über alles Maß hinaus in Leidenschaft und Empörung brachte. Hardenbergs Antwort, so mußt' er sich sagen, auch wenn er sich es nicht sagen wollte, war scharf, aber nicht ungerecht. Es lag nicht an dem Gegner, es lag an ihm selbst, an ihm, der, aus einem egoistischen Gefühl heraus, um etwas gebeten hatte, um das er nicht bitten durfte. Wurde es bewilligt, so war es gut, so trat das Mißliche der Bitte zurück, wurde es aber nicht bewilligt, so gesellte sich zu dem Schmerzlichen eines Refus auch noch die Kränkung einer Reprimande. Und wie sehr er sich dagegen sträuben mochte, in dieser Erkenntnis lag die tiefste Quelle seines Zornes. 37
    Er war, von Breslau her, abschlägig beschieden worden, aber endlich, wie die Freunde keinen Augenblick bezweifelt hatten, entwickelte sich doch alles im Einklang mit seinen Wünschen. Ein längerer Aufschub wurde bewilligt, und als Karl von Hertefeld im März 1814 aufbrach, um sich, nach Ablauf der Frist, den verbündeten Armeen anzuschließen, standen diese schon in der Nähe von Paris und schlugen ihre letzten Schlachten.
    Er hatte sich ohne Schuld verspätet. Aber, ob mit ob ohne Schuld, als im folgenden Jahre die Kriegsflamme noch einmal aufloderte, war es doch jedenfalls ein unerläßliches Gebot der Ehre für ihn geworden, ein zweites Mal nicht zu fehlen, vielmehr rasch und rechtzeitig am Platze zu sein. Auch der alte Freiherr entschied sich jetzt in diesem Sinne, bezwang sein Herz und beschränkte sich darauf, an den eben damals in Berlin weilenden Sohn eine Reihe kurzer Briefe zu richten, die hier, sowohl zur Kennzeichnung des Schreibers, wie der Situation, eine Stelle finden mögen. Alles in ihnen ebenso weisheits- wie liebevoll.
    19. April. »Mein lieber Sohn. Für mich, als Deinem Dich liebenden und seinem Ende sehr nah sich fühlenden Vater, ist es ein Hartes, Dir in einer Sache Rat zu geben, die mich niederdrückt. Ich wünsche nicht, daß Du als Gemeiner in eine ohnehin trübselige Laufbahn eintreten möchtest. Wäre es möglich, daß Du als Freiwilliger auf Deine Kosten dienen und in der Adjutantur ankommen könntest, so wäre mir das das Liebste. Ich weiß, daß Enthusiasmus Dich treibt, aber sieh Dich vor, daß er Dich nicht zu Schritten verleitet, die Dir später unangenehm werden könnten. Glaube mir als einem alten, erfahrenen und vorurteilsfreien Manne, der Militärstand ist eine splendide Misere. Wenn man eine Zeitlang darin gearbeitet hat, so fühlt man erst das Angenehme der Independenz, und wie nützlich sich der macht, der als Privatier seine Güter selbst bewirtschaftet. Er dient dem allgemeinen Besten und braucht mit seiner Meinung nicht zurückzuhalten. Er ist ein freier Mann, der auch frei sprechen darf. Fessele Dich also nicht für immer.«
    Den 22. April. »Ich kenne nun Deinen Entschluß, bei Major von Colombs Husaren eintreten zu wollen und kann ihn nicht tadeln. Der Major hat den Ruf eines tätigen und gescheiten Mannes. Wenn Du mit ihm sprichst, so sag' ihm Deine verfehlte vorjährige Dienstnehmung. Vielleicht kann er Dich zum Junker ernennen. Daß Du die Garden vermeiden willst, kann ich nur billigen; diese haben den alten unschicklichen Ton angenommen, 38 der sie dem Bürgerstande anstößig machen muß.«
    25 April. »Über unser Aufrufs-Edikt, wenn ich darüber sprechen wollte, wäre kein Ende. Was soll die Menge Kinder, die zusammenläuft, teils um der Schule, teils um der elterlichen Vormundschaft zu entweichen. Wir hatten ja Landwehren genug, die nur allenfalls der Komplettierung bedurften. Ich bin ein Feind alles Enthusiasmus, weil er sich auf Kosten der gesunden Vernunft eindrängt. ›Kalt überlegt und warm ausgeführt‹, das ist

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