Wanderungen durch die Mark Brandenburg
ebenso widersinnig wie empörend ist. In diese Kategorie gehört auch der Herr von Ladenberg, der Blasenzinsregierer. (Blasenzins ist Branntweinsteuer). Die Proben hat er in einer Fabrik machen lassen. Und nun meint er, unsere kleinen ländlichen Brenner können es auch so treiben. Diese theoretisierenden Herren haben sich den Kopf mit englischen und französischen Einrichtungen vollgepfropft, und in ihre mitgebrachten Modelle sollen wir hineingepaßt werden, ohne Rücksicht darauf, ob wir sie ausfüllen können oder nicht.«
Als er diese letzten Zeilen schrieb, stand schon ein neues Gewölk am Himmel: der Krieg gegen Rußland, über dessen endlichen Ausgang er nicht zweifelhaft war. »Ich hör' eine innere Stimme, die mir deutlich sagt: ›wir sind am letzten Aufzuge dieses Trauerspiels‹, und ich beklage nur, daß wir mit unserem Gut und Blut in Mitleidenschaft gezogen werden.« Und wirklich, einige Wochen später war das Land abermals überschwemmt und das Drangsalieren begann in alter Art und Ausdehnung. Aber ich verweile nicht bei Szenen, wie sie schon früher von mir geschildert wurden, und nehme die Erzählung erst im Beginn von 1813 wieder auf.
Es war des alten Freiherrn allerschwerste Zeit. Eine große Begeisterung hatte das Land erfaßt, alles, was Waffen tragen konnte, trug sie, selbst Kinder traten ein, und der damals achtzehnjährige Karl von Hertefeld empfand wie seine Genossen, wie die Jugend überhaupt. Aber der Vater, in grenzenloser Liebe zu dem einzigen Sohne, mochte von diesem »Mitgehen« nichts wissen, das ihm vielfach als ein »Mitlaufen« erschien, und entschied sich endlich dahin, ein Immediatgesuch an den damals in Breslau weilenden König zu richten. Er hob in demselben hervor, daß der Eintritt seines Sohnes in die zum Kampfe gegen Frankreich ausziehende Armee die Konfiskation seiner rheinischen Güter unmittelbar im Gefolge haben würde, bat deshalb um vorläufige Zurückstellung und verpflichtete sich gleichzeitig, behufs Equipierung anderer Freiwilligen, eine Summe von eintausend Talern einzuzahlen.
Es währte geraume Zeit, ehe ein Antwortschreiben eintraf. Endlich kam es, aber nicht aus dem Kabinette, sondern aus dem Ministerium, und – ablehnenden Inhalts. »Es sei kein Grund vorhanden, in dem vorliegenden Falle die militärische Verpflichtung aufzuheben.« Unser alter Freiherr war wie niedergeschmettert, und in einem Zustande völligen Außersichseins schrieb er an seine Tochter Alexandrine: »Das mit so vieler Ungeduld von mir erwartete Schreiben empfing ich eben. Es ist leider, statt vom Könige, vom Staatskanzler unterzeichnet. Also so weit sind wir gekommen, daß einem der König nicht mehr einer Antwort würdigt, so weit, daß man die Hardenbergschen Meinungen als königliche Resolutionen annehmen muß. Auf die Gründe meiner Vorstellung ist gar nicht attendieret, sondern nur einfach ausgesprochen worden, daß ein Besitz von Gütern im Clevischen eine solche Befreiung vom Dienst nicht zulasse. Zorn und Ärger über die Behandlungsart, dazu Wehmut über die Auslieferung meines einzigen Sohnes, durchkreuzen meinen Kopf, und ich kann Dir nicht sagen, wie sehr ich affiziert bin. Aber eins will ich aussprechen, ich empfinde eine Verachtung gegen den Resolutionsgeber, die mir unauslöschlich in der Seele bleiben wird. In meinem Nächsten meld' ich Dir, was für Maßregeln ich zu nehmen gedenke.«
Dieses »Nächste« ließ denn auch nicht lange auf sich warten. Unterm 17. März erfahren wir das Folgende. »Geheimrat Serre 36 will ein zweites Schriftstück aufsetzen und Sorge tragen, daß es dem Könige direkt zu Händen komme. Karl aber soll nichts davon erfahren; er will begreiflicherweise von keinem Schritte wissen, der sein Ehrgefühl kompromittieren könnte. Was mich angeht, so kann ich meiner Empörung immer noch nicht Herr werden und will es auch nicht. Meine Verachtung gegen den Urheber aber werde ich mit ins Grab nehmen... Von Patriotismus sprechen solche Menschen, die vom Staate leben, immer. Ich habe keine Gelegenheit versäumt, um nützlich zu sein, habe dem Staatsfond keinen Heller gekostet, nie Vergütigung verlangt, aber auch niemals in die Zeitungen setzen lassen, wenn ich für den Staat den Beutel zog. Und diese elenden Menschen wollen einem alten Manne nicht einen einzigen Sohn freilassen, dessen Freilassung durch vernünftige Gründe als notwendig vorgetragen wird! Bei Gott, es wären Vormünder nötig, die die Schurken fortschafften! Doch genug davon, denn mir
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