Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Schlupfwinkel blieb ununtersucht.
Am 30. endlich zog ich zu einem meiner Tagelöhner und wieder ein paar Tage später in eine Stube des ›roten Hauses‹. Es war aber noch zu früh und ich geriet nicht bloß in Gefahren aller Art, ich wurd' auch Zeuge der verdrießlichsten Szenen. Immer neue Durchmarschierende kamen, Schweine und Schafe wurden fleißig getötet, und ein Colonel, der in dem benachbarten Falkenthal die Nacht zubringen sollte, ließ mir achtunddreißig Schafe nehmen, um sein Kommando damit zu füttern. Einige Tage später erschienen zwei Offiziere und dreiunddreißig Gendarmen und nahmen Quartier im Wirtschaftshause; Hafer und Heu mußten herbeigeschafft werden und ihre Forderungen hatten kein Ende. Dabei ließ sich mein Wirtschafter, den man einzuschüchtern gewußt hatte, durch die Fragen eines gut deutschsprechenden Gendarmerieoffiziers derart überholen, daß er ihm meinen Aufenthalt in Liebenberg eingestand, worauf ihm der Offizier erwiderte: ›Sie müssen das niemandem sagen; es wäre Ihres Herrn Unglück.‹
Nach den Gendarmen kamen Dragoner und nach den Dragonern Chasseurs. An der Spitze dieser stand der Oberst Tessier, ein brutaler Mensch. Er wollte Wein, der nirgends mehr zu haben war, durchlief alle Wohnungen und Ställe und kam auch in meine Stube, wo ich auf einem alten Lehnstuhl saß. ›Hoho!‹ rief er. ›Bon soir. Was ist das für ein Benehmen! Ein jeder läuft vor mir, und ich kann kein anständiges Quartier finden. Sacre Dieu, für einen Obersten muß doch etwas geschehen!‹ Ich antwortete ihm, daß die Plünderung uns alles genommen hätte, was einem Offizier das Leben angenehm machen könne. Man hätte zur Stadt nach Wein geschickt, aber es werde nichts helfen, da schon vorher keiner mehr zu haben gewesen sei. Der Schloßherr sei nach Berlin gereist; ich persönlich sei früher der erste Aufseher in seinem Dienste gewesen. Er besänftigte sich um etwas und stieß nur einige ruhmredige Redensarten gegen unsern König aus. Am folgenden Tage erfuhr ich, daß er beständig nach dem ›Schloßherrn‹ gefragt und geforscht habe, worauf hin beschlossen wurde, daß ich Liebenberg ganz aufgeben und nach dem Vorwerk ›Hertefeld‹ ziehen solle.
Das war am 20. November.
Endlich, im Januar, ging ich nach Berlin, um mich wieder mit Kleidungsstücken und dem nötigsten Hausgerät zu versehen.«
So Friedrich Leopold von Hertefelds Bericht.
*
Als Friedrich Leopold von Hertefeld im Mai nach Liebenberg zurückkehrte, war er beflissen, über die Verluste jener mehrtägigen Plünderung einen Überblick zu gewinnen. Er stellte Jegliches zusammen und dem betreffenden Aktenstück entnehme ich folgende Daten und Zahlen:
Wein, Branntwein, Bier, Schlachtvieh,
Fourage, Holz, Brot, Butter,
Schmalz, Speck, Kartoffeln, Eier,
Käse, Materialwaren, Backobst 3485 Taler
Pferde, Wagengeräte, Kutschen,
Kaleschwagen 2601 Taler
Bares Geld und Gold, Silber
und Scheine 3836 Taler
Gold- und Silbersachen, Pretiosen 4734 Taler
Tischzeug (darunter 96 Tafelgedecke
mit über 2000 Servietten),
Bettzeug, Gardinen, Leinen usw. 6250 Taler
Hausgerät (Kessel, Porzellan,
Fayence-Geschirre usw.) 549 Taler
Physikalische Instrumente 605 Taler
Bücher 700 Taler
Gemälde, Stiche usw. 800 Taler
Waffen aller Art 90 Taler
Forsthaus mit Stall niedergebrannt 600 Taler
Sämtliche Zäunungen und Hecken
niedergebrannt 100 Taler
Summa 24 350 Taler
In vorstehendem hab' ich ausschließlich die großen Gruppen gegeben, ohne mich auf Einzelheiten einzulassen. Es fehlt aber in dem Aktenstücke keineswegs an solchen und werden unter anderm, um nur eins herauszugreifen, fünfundneunzig Bilder aufgezählt, die seitens der Plünderer aus dem Rahmen herausgenommen und »aufgerollt« wurden. Unter ihnen waren folgende Blätter in Stich, Aquatinta und Buntdruckmanier: General Wolfes Tod, Tod des Kapitän Cook, der Tod der Jane Gray, Cromwell löst das lange Parlament auf, Karl II. landet bei Dover, – alle nach Benjamin West. Ferner: die Wahrsagerin, die Herzogin von Devonshire usw. von J. Reynolds. Die Kaskaden von Tivoli, die Ruinen von Palmyra, das Bad des Cäsar, die Grotte des Neptun usw., alle in Buntdruck.
Auch aus der Reihe der Bücher sei hier einiges aufgezählt: Les Oeuvres complètes de Corneille, Montesquieu, Voltaire, Rousseau, Frédéric II., Prachtausgaben von Voltaires Henriade und Pucelle d'Orleans. Dazu große naturhistorische Kupferwerke, Atlanten usw.
Es genügt dies, um zu zeigen,
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