Wanderungen durch die Mark Brandenburg
wie gut damals, nach der wissenschaftlichen Seite hin, unsere Herrenhäuser ausgerüstet waren. Es waren Überbleibsel aus der durchaus auf Literatur gestellten friderizianischen Zeit.
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Am 6. Juli 1807 sehen wir den Briefwechsel mit der Tochter, Alexandrine Gräfin Dankelmann, wieder aufgenommen und gewinnen anfänglich den Eindruck, als solle das patriarchalische Leben, das dem Ausbruche des Krieges vorausging, nach nunmehriger Beilegung der Feindseligkeiten (der Tilsiter Friede war geschlossen) wieder aufgenommen werden. Aber dieser Eindruck ist nicht von Dauer. In kürzester Frist sah man in Liebenberg, anstelle der bis dahin feindlichen Bataillone, die sogenannten »friedlich-durchziehenden Bataillone« treten, und mußte sich überzeugen, durch diesen Namenswechsel wenig gewonnen zu haben. Ja, es kamen Tage vor, die den Plünderungstagen sehr ähnlich sahen. Auch hierüber hat Friedrich Leopold von Hertefeld in gewissenhafter Weise Buch geführt, und wir erfahren sogar die Namen der Regimenter, die sich's in kleineren und größeren Trupps auf längere Zeit im Liebenberger Schlosse wohl sein ließen. Alles in allem mag die Zahl der Einquartierten über tausend betragen haben. Unterm 26. August 1808 finden wir beispielsweise folgendes: »Es kamen heut in Quartier: 1 General, 1 Adjutant, 1 Kapitän, 2 Leutnants und 76 Mann vom 10. leichten Infanterieregiment. Dem General (oder vielleicht dem Kapitän) war attachiert: eine Frau mit 2 Kindern und eine Magd. Ferner 8 Bediente, II Pferde des Generals und 3 des Kapitäns.« Ein andermal heißt es: »1 Kürassiergeneral, 1 Adjutant, 2 Unteroffiziere, 9 Bediente, 23 Pferde.« Man erkennt aus allem den außerordentlichen Luxus, in dem sich die damaligen Machthaber Frankreichs gefallen durften.
Es braucht nicht erst versichert zu werden, daß unter Verhältnissen, wie diese, der kritische Hang unseres Liebenberger Einsiedlers eher wuchs als schwand; aber er wechselte den Gegenstand und wandte sich vom Nächstliegenden dem Allgemeinen, von Haus und Hof dem Lande, dem Staate zu. Kurz und gut, es war über Nacht ein Politiker aus ihm geworden, der nun, mit der ihm eigenen Geistesschärfe, Stellung zu den Zeitereignissen, insonderheit auch zu den »Neuerungen« im eigenen Lande zu nehmen begann. Alles mißfiel ihm, und wenn er einerseits voll tiefster Abneigung gegen den »großen Würger« war, so war er voll kaum geringerer gegen die heimischen »Reformer«, denen es oblag, sich mit diesem Würger zu stellen. Er neigte ganz und gar der Ansicht zu, »daß der Wiederaufbau des Staates unter geringerer Schädigung privater Interessen möglich gewesen wäre«, mißtraute Stein und Hardenberg, und selbst Scharnhorst, und verhielt sich absolut feindselig gegen die »Finanzkünstler«, die denn auch in all diesen Briefen entweder ernsthaft abgekanzelt oder mit der Lauge des Spottes übergossen werden. All das liest sich vortrefflich und mag im einzelnen nicht bloß dem Buchstabenrecht entsprechend, sondern auch innerlich unanfechtbar gewesen sein, im großen und ganzen aber trägt es nichtsdestoweniger den Stempel einer gewissen opferunlustigen Engherzigkeit, von der, meinem Gefühle nach, der ganze damalige Landadel, und an seiner Spitze der märkische, nicht frei gesprochen werden kann. Alle wußten sie's besser, ohne doch irgendwie, diesem Besserwissen entsprechend, ein Geringstes zu tun oder auch nur tun zu können. Ein paar der heftigsten Auslassungen mögen hier eine Stelle finden:
»Ich bin jetzt«, so schreibt er im Mai 1810, »unter anderm auch mit der lieben ›Einkommensteuer‹ beschäftigt, deren Reglement so viel Unklarheit und Unbestimmtheit zeigt, daß sich nur die wenigsten darin zurecht finden können. Das Ganze grenzt an Prellerei, was schon daraus hervorgeht, daß die Steuer, die zur Tilgung der Landesschulden verwendet werden soll, zur Verpflegung der drei besetzten Festungen mit herangezogen wird. Alles was geschieht, läuft darauf hinaus, die den ›Finanziers‹ so lästigen ständischen und städtischen Gerechtsame zu beseitigen. Ein Neues soll an die Stelle treten, eine Nachäffung des Französischen, das für uns paßt, wie die Faust aufs Auge.«
Und an anderer Stelle: »Der Staatskanzler ist in der Wahl seiner Unterarbeiter überaus unglücklich. Man hat ihm lauter junge idealistische Theoretiker vorgeschlagen, die nun ihr Wesen treiben. So sind z.B. die Herren von Raumer und Peter Beuth die Urheber des Stempeledikts, das in manchen Punkten
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