Wanderungen durch die Mark Brandenburg
von Kalckstein (Sophie Friederike Wilhelmine), geboren 1723, gestorben 1755. – Sie war während der vierziger Jahre Hofdame der Königinmutter und mit dem Fräulein von Pannewitz, der späteren Gräfin Voß, aufs innigste befreundet. In den Memoiren der letzteren wird dieser Freundschaft erwähnt, ebenso wie der Verheiratung der Freundin. »Im Sommer 1746«, so heißt es wörtlich, »verheiratete sich Fräulein von Kalckstein mit dem Adjutanten des Königs, General von Wylich. Ihr Abgang vom Hofe war für mich ein großer Verlust. Von Kindheit an war sie mir meine beste Freundin gewesen, obgleich sie mehrere Jahre älter war als ich. Sie hatte den besten Charakter von der Welt, war überaus sanft und liebenswürdig und dabei voll Geist und Leben. Ein Fräulein von Viereck trat an ihre Stelle, konnte mir aber den treuen Rat und die treue Liebe nicht ersetzen, die ich bei Fräulein von Kalckstein immer gefunden hatte.«
5. La Poule blanche. Dies ist das interessanteste Bild im Schloß und vielleicht auch das künstlerisch am höchsten stehende; meiner Meinung nach unzweifelhaft von Pesne persönlich herrührend und nicht, wie so vieles andere dieses Meisters, bloß aus seinem Atelier hervorgegangen. Es ist eminent geistreich und stellt in Front eines Schlosses (wahrscheinlich Schloß Monbijou) ein zierliches weißes Huhn und einen kollerigen, schwarzen, mit einem roten Halslappen angetanen Hahn dar, der sich um das überlegen lächelnde weiße Huhn (poule blanche) stolz und zärtlich zugleich bewirbt. Alles dies ist um so leichter aus dem Bilde herauszulesen, als sowohl Huhn wie Hahn Menschenköpfe tragen, deren Züge das in den Tierkörpern Angedeutete bestätigen und unterstützen. Und beide Köpfe sind Porträts. Aber während über den Frauenkopf, oder die »poule blanche«, kein Zweifel waltet (es ist eben das vorgenannte schöne Fräulein von Kalckstein), sind über den erregten Kollerhahn nur Mutmaßungen gestattet. Es werden die verschiedensten Namen genannt, alle mit demselben Anspruch. Und es gilt auch gleich. Als aber die schöne Kalckstein im Sommer 1746, wie das Fräulein von Pannewitz uns berichtet, eine Baronin Wylich geworden war und das ihr zu Ehren gemalte Bild mit in die Ehe brachte, ward es ihrem Eheherrn unbequem, Tag um Tag an einen früheren Umwerber seiner schönen Frau gemahnt zu werden, weshalb er erbarmungslos auf Übermalung drang und sowohl Huhn wie Hahn in den ihnen zukommenden Tierköpfen zu sehen wünschte. Dies geschah denn auch und erst als beinahe hundert Jahre später das reizende Bild aus »Onkel Wylichs« rheinischer Hinterlassenschaft ins Märkische, nach Liebenberg, zurückwanderte, schritt eine geschickte Hand zur restitutio in integrum. Und mit Menschenköpfen, wie es Pesne ursprünglich gewollt und gemalt, blicken wieder la poule blanche und ihr Umwerber, lächelnd und kollernd, in die Welt hinein.
D. Tierbilder
La poule blanche bildet einen guten Übergang zu den Tierbildern des Schlosses. Diese haben die Repräsentations- und Wohnräume, wenn sie je darin Platz hatten, aufgeben und im Treppenhaus ein Unterkommen suchen müssen, auf dessen Absätzen man ihnen in reicher Zahl begegnet: Schafe, Widder, Hirsche, Rehe, Büffel und Pferde. Sonderbarer Weise stellen sie meistens Monstrositäten dar und wurden überhaupt nur gemalt, um irgendeinen abnormen Zustand zu verewigen. Es sind also Kuriosa. Daß sie dennoch mehr interessant als häßlich wirken, ist ein Beweis der ausgezeichneten Technik, mit der sie gemalt wurden. Alle stammen wohl noch aus der Zeit des Oberjägermeisters und lassen die brillante niederländische Schule leicht erkennen.
Werf' ich einen Blick auf die Gesamtheit dessen, was an Bildern vorhanden ist, so bleiben nur etwa sechs übrig, die mir als von künstlerischer Bedeutung erschienen sind. Und zwar: La poule blanche von Pesne; Gräfin Eulenburg, geborene von Rothkirch, von Angeli; Jobst Gerhard von Hertefeld, mit dem Jagdspieß des Oberjägermeisters (Maler unbekannt); Ludwig Kasimir von Hertefeld von der Madame Therbusch, und Minister Graf Eulenburg von Magnus. In dieser Aufzeichnung kommt Pesne, von dem doch so viele Bildnisse da sind, anscheinend zu kurz, aber ich bin nicht imstande gewesen, der ganzen Reihe dieser seiner Arbeiten, außer der mehrgenannten poule blanche, einen Geschmack abzugewinnen. Allerdings ist in Erwägung zu ziehen, daß sie doppelt gelitten haben und zwar erst durch Übermalung und hinterher durch »Coupieren mit der
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