Wanderungen durch die Mark Brandenburg
dem Fuß an den Stecher, und die Kugel pfiff ihm am Ohr hin, während das Feuer seinen Bart versengte.
Es war eine »wehvolle Jagd«, wie es in alten Balladen heißt.
Die Menzer Forst und der große Stechlin
Die Sonne war geneigt im Untergang.
Nur leise strich der Wind, kein Vogel sang,
Da stieg ich ab, mein Roß am Quell zu tränken,
Mich in den Blick der Wildnis zu versenken.
Verwildernd schien das helle Abendrot
Auf dieses Waldes sagenvolle Stätte.
In der Nordostecke der Grafschaft liegt die Menzer Forst, 24000 Morgen groß (in ihr der sagenumwobene »Große Stechlin«), und in dieser verlorenen Grafschaftsecke lebt die Ruppiner Schweiz noch einmal wieder auf. Hier waltet ein ganz eigenartiges Leben: der Pflug ruht und ebenso der Spaten, der den Torf gräbt; nur das Fischernetz und die Angel sind an dieser Stelle zu Haus und die Büchse, die tagaus tagein durch den Wald knallt. Hundert Jahre haben hier wenig oder nichts geändert, alles blieb, wie es die Tage des großen Königs sahen und nur eines wechselte: der Schmuggler fehlt, der hier sonst ins Mecklenburgische hinüber sein Wesen trieb und seinen Krieg führte. Denn die Menzer Forst setzt sich noch jenseits der Grenze fort, und ein von abgefallenem Laube halb überdeckter Graben ist alles, was die Territorien scheidet.
Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts ward in der Kriegs- und Domänenkammer die Frage rege: Was machen wir mit diesem Forst? Hochstämmig ragten die Kiefern auf; aber der Ertrag, den diese herrlichen Holz- und Wildbestände gaben, war so gering, daß er kaum die Kosten der Unterhaltung und Verwaltung deckte. Hirsch und Wildschwein in Fülle; doch auf Meilen in der Runde kein Haus und keine Küche, dem mit dem einen oder anderen gedient gewesen wäre. »Was tun mit diesem Forst?« so hieß es wieder. Kohlenmeiler und Teeröfen wurden angelegt, aber Teer und Kohle hatten keinen Preis. Die nächste nachhaltige Hilfe schien endlich die Herrichtung von Glashütten bieten zu sollen und in der Tat, es entstanden ihrer verschiedene zu Dagow, Globsow und Stechlin; ein Feuerschein lag bei Nacht und eine Rauchsäule bei Tag über dem Walde; vergeblich; auch der Glashüttenbetrieb vermochte nichts und der Wald bracht es nur spärlich auf seine Kosten.
Da zuletzt erging Anfrage von der Kammer her an die Menzer Oberförsterei: wie lange die Forst aushalten werde, wenn Berlin aus ihm zu brennen und zu heizen anfange?, worauf die Oberförsterei mit Stolz antwortete: »Die Menzer Forst hält alles aus«. Das war ein schönes Wort, aber doch schöner, als sich mit der Wirklichkeit vertrug. Und das sollte bald erkannt werden. Die betreffende Forstinspektion wurde beim Wort genommen, und siehe da, ehe dreißig Jahre um waren, war die ganze Menzer Forst durch die Berliner Schornsteine geflogen. Was Teeröfen und Glashütten in alle Ewigkeit hinein nicht vermocht hätten, das hatte die Konsumtionskraft einer großen Stadt in weniger als einem Menschenalter geleistet. Ja, Hilfe war gekommen, die Menzer Forst hatte rentiert; aber freilich die Hilfe war gekommen nach Art einer Sturzwelle, die, während sie das aufgefahrene Schiff wieder flott macht, es zugleich auch zerschellt. Abermals mußte Wandel geschafft werden, diesmal nach der entgegengesetzten Seite hin, und das berühmte, wenn auch unverbürgte Wort, das König Friedrich einst in delikatester Situation an Schmettau richtete, dasselbe Wort richtete jetzt die Königliche Verwaltung der Forsten und Domänen an den Oberförster von Groß-Menz: »Hör' Er auf«. Und man hörte auf. Der Hauptstadt wurde durch dieses »Halt« übrigens nichts entzogen, denn die Linumer Torfperiode war inzwischen angebrochen, die Menzer Forst aber stieg auf der tabula rasa ihres alten Grund und Bodens neu empor: Eichen, Birken, Kiehnen in buntem Gemisch, und die Bestände, wie sie jetzt sich repräsentieren, sind das Kind jener Schonzeit und Stillstandsepoche, die dem dreißig Jahre lang geführten »guerre à outrance« auf dem Fuße folgte.
Er zählt jetzt gerade hundert Jahre, dieser prächtige Wald, der ein Leben für sich führt, ein halbes Dutzend Wasserbecken mit grünem Arm umschließt und über altes und neues, über Teeröfen und Forsthäuser, über Glashütten und Fabriken nach wie vor seine Herrschaft übt. In ihn hinein wolle mich jetzt der Leser begleiten.
*
Es ist noch Platz auf dem Pürschwagen (vorne der Kutscher und der Herr), und ein Kissen und eine Decke harren des neuen Gastes.
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