Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Genossen seiner reiferen Jahre wird, so sind Förstereien und Wassermühlen die Gefährten seiner Jugend, und überall da, wo sein Wasser noch über ein Wehr fällt oder hochaufgeschichtete Bretterbohlen an seinen Ufern liegen, da sind auch die Stätten seiner Schönheit. Jede dieser Stätten, zwischen zwei Seen gelegen, dürfte die Hand nach dem stolzen Namen »Interlaken« ausstrecken, aber im Bewußtsein eigenen Wertes verschmähen sie es mit vornehmen Anklängen zu prunken, und geben sich lieber ohne jegliche Prätension und nur auf sich selber gestellt, als Rottstiel und Pfefferteich, als Boltenmühle und Kunsterspring. Und wie sie selber auf alles klug verzichten, was zur Quelle lästiger Vergleiche nach außen hin werden könnte, so verzichten wir darauf, ihren Preis und Wert untereinander festzustellen. Denn wie unter schönen Schwestern die Streitfrage nie gelöst wird, »wer eigentlich die schönere oder die schönste sei«, weil es heute diese und morgen jene, je nach der Kleidfarbe, die sie tragen, oder nach dem Bande, das zufällig an ihrem Hute flattert, so ist auch hier die Frage nach der größeren Schönheit eine bloße Frage der Beleuchtung, der Stimmung, des zufälligen Schmuckes. Wenn heute Boltenmühle in Malven siegt, so siegt morgen Kunsterspring in roten Ebereschen, und ein helleres oder dunkleres Abendrot, ein schmaleres oder breiteres Band, das der Regenbogen über die Landschaft spannt, entscheidet darüber, ob Rottstiel über Pfefferteich oder Pfefferteich über Rottstiel triumphiert.
Auch die »Historie« ist leisen Fußes durch diese Gegenden hingeschritten und erzählt von Kronprinz Fritz und seiner Liebe zum schönen Försterkinde von Binenwalde. Von Rheinsberg aus herüberkommend, gab er im Abenddämmer das wohlbekannte Zeichen nach dem mitten im See gelegenen Forsthaus hinüber, und nicht lange, so glitt ein Kahn aus dem Schilfgürtel hervor und der Stelle zu, wo der Prinz, unter den Zweigen einer überhängenden Buche, die schöne Sabine, das »Insel- und Försterkind« erwartete. Die schöne Sabine aber stand lächelnd aufrecht ihm Kahn, das Ruder mit raschem Schlage führend, bis im nächsten Moment das Ruder ans Land und sie selbst dem Harrenden in die Arme flog.
Aber diese Tage sind hin, und wie tiefe Sonntagsruhe liegt es in den Lüften, wenn, wie zu dieser Mittagsstunde, die nachbarliche Mühle schweigt.
*
Ausgestreckt am Hügelabhang, den Wald zu Häupten, den See zu Füßen, so träumst du hier, bis die wachsende Stille dich erschreckt. Mit angespannten Sinnen lauschest du, ob nicht doch vielleicht ein Laut zu dir herüberklinge, und endlich hörst du die Rätselmusik der Einsamkeit. Der See liegt glatt und sonnenbeschienen vor dir, aber es ruft aus ihm, die Bäume rühren sich nicht, aber es zieht durch sie hin, aus dem Walde klingt es, als würden Geigen gestrichen und nun schweigt es und ein fernes, fernes Läuten beginnt. Ist es Täuschung, oder ist es mehr? Ein wachsendes Bangen kommt über dich, bis plötzlich das Klappern der Mühle wieder anhebt und der schrille Ton der Säge den Mittagszauber zerreißt.
Wer will sagen, wenn er die Ruppiner Schweiz durchwandert, wo ihr Zauber am mächtigsten wirkt.
Und fragst du doch: den vollsten Reiz
Wo birgt ihn die Ruppiner Schweiz?
Ist's norderwärts in Rheinsbergs Näh'?
Ist's süderwärts im Molchowsee?
Ist's Rottstiel tief im Grunde kühl?
Ist's Kunsterspring, ist's Boltenmühl?
Ist's Boltenmühl, ist's Kunsterspring?
Birgt Pfefferteich den Zauberring?
Ist's »Binenwalde?« – nein, o nein,
Wohin du kommst, da wird es sein,
An jeder Stelle gleichen Reiz
Erschließt dir die Ruppiner Schweiz.
Am Molchow- und Zermützelsee
Abgeschieden, rings geschlossen,
Wenig kümmerliche Föhren,
Trübe flüsternde Genossen,
Die hier keinen Vogel hören.
Lenau
»An jeder Stelle gleichen Reiz
Erschließt dir die Ruppiner Schweiz«
aber doch mit der einen Einschränkung, daß wir uns in der Helvetia propria dieser Gegenden halten und es vermeiden, von dem westlichen Ufer des Rhin auf das östliche hinüberzutreten. Tun wir diesen verhängnisvollen Schritt dennoch, so sind wir aus unserer eigentlichen Schweiz heraus und wandeln nur noch an ihrer Peripherie hin. Mit anderen Worten: das östliche Rhinufer hat keinen anderen Reiz mehr als den, welchen es seinem Gegenüber, dem westlichen Ufer entnimmt.
Aber Ausnahmen auch hier, und unter diesen Ausnahmen in erster Reihe das alte Dorf
Weitere Kostenlose Bücher