Wanderungen durch die Mark Brandenburg
einsichtsvoller Klugheit und die Fähigkeit sich in die Verhältnisse der neuen Familie zu schicken. Aus unserer Ehe wurden uns vier Kinder geboren.
1857 übernahm ich das alte Geschäft in der Stadt, das ich von diesem Zeitpunkt an selbständig leitete. Vier Monate des Jahres befand ich mich in der Regel auf Reisen, um die nötigen Einkäufe zu machen, war ich aber wieder daheim, so langweilte mich der ›Verkauf im Einzelnen‹, und das sogenannte ›Ladengeschäft‹ sagte mir grade so wenig zu, wie vordem. Auch das kleine Ruppiner Leben war durchaus nicht nach meinem Sinn, lauter Dinge, die sich erst zum Bessern kehrten, als mich der Wandel der Zeiten in größere kaufmännische Verhältnisse führte: Kapitals- fanden statt und eine der großen Gründer-Epoche der siebziger Jahre voraufgehende Aktien-Schwindelzeit brach gerade damals an. In sich verwerflich genug. Aber so verwerflich diese Zeit und ihre Manipulation sein mochten, ja, mit so großen Verlusten sie für mich verknüpft waren, – das ganze kaufmännische Leben erschien mir doch plötzlich in einem neuen Lichte und wenn mich früher das Kleinliche gelangweilt und auch angewidert hatte, so war jetzt etwas da, was mich interessirte, was Gedanken und Spekulation in mir anregte. Mit den größeren Summen, die mir trotz und inmitten meiner Verluste doch immer reichlich wieder zu Händen kamen, ermöglichten sich Unternehmungen der mannigfachsten Art, Ankäufe kamen zu Stande, und große und kleine Liegenschaften theils in Nähe, theils in mehrmeiliger Entfernung von Ruppin, wurden erworben, was schließlich dahin führte, daß wir, mein Vater und ich, eine halbe Quadratmeile Torf- und Wiesen-Terrain im Wustrauschen und im Rhin-Luch besaßen, ja, uns bald danach sogar in der Lage sahn, ein mit einigen fruchtbaren Ackerstreifen durchsetztes Stück Sandland von nicht unbeträchtlichem Umfang anzukaufen. Dies waren die nach Rheinsberg hin gelegenen, Kahlenberge‹, die, nach ihrer Umgestaltung in Acker-, Forst- und Weide-Land, den Namen Gentzrode 85 und ein oder zwei Jahrzehnte später sogar die Rittergutsqualifikation empfingen.«
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So weit die biographische Skizze, die wir hier abbrechen, um nunmehr von Alexander Gentz in Person nach Gentzrode, dessen Besitz er eben angetreten, zurückzukehren.
Beim Tode des Alten (1867) befand sich das neu geschaffene Gut, um es noch einmal zu sagen, in einem durchaus blühenden Zustande:
Waldkulturen, einschließlich einer großen Baumschule, waren geschaffen;
ein zweiter artesischer Brunnen, um den Mehransprüchen einer (trotz eingetretener Ungunst der Zeiten) immer noch wachsenden Brennerei zu genügen, ward gegraben;
eine sogenannte »Ablage« am Molchowsee, die, weil der Rhin den Molchowsee durchfließt, einen bequemen Wasserverkehr ermöglichte, war unter großen Schwierigkeiten erkämpft;
und endlich umschloß ein Komplex von Scheunen und Ställen (der dominierenden Brauerei zu geschweigen) einen mächtigen und beinah schönheitlich wirkenden Wirtschaftshof.
So war denn das, was der neue Besitzer übernahm, ein blühendes Gewese, das er belassen konnte, wie es war, und zwar um so mehr, als auch schon bei Lebzeiten des Vaters alles nach seinen (des Sohnes) Anschauungen geleitet worden war. In der Tat, er hatte nicht nötig, im Prinzip irgendwas zu ändern und tat es auch nicht, aber er hatte von jetzt an freiere Bewegung und benutzte diese, um alles reicher auszugestalten. Nicht in Richtung und Anschauung, aber im Maß und Tempo wurde geändert.
Das zeigte sich zunächst bei den Waldkulturen, an die der neue Besitzer sofort mit gesteigerter Energie herantrat, weil er von dem lebhaften Wunsche geleitet war, in erster Reihe ein Waldgut aus Gentzrode zu machen. Er begann damit, einhundertundzehntausend junge Eichen aus Holland 86 zu beziehen und in den rajolten Boden einzusetzen. Oberförster Berger aus Alt-Ruppin, Fachmann und Autorität, ritt vorüber und rief ihm zu: »In solchen Boden wollen Sie Eichen pflanzen? Werfen Sie Ihr Geld nicht weg!« Aber der, an den sich dieser Zuruf richtete, ließ sich durch solche Fachmannsurteile nicht abschrecken. Er war kurze Zeit vorher in Potsdam und Babelsberg gewesen und hatte sich an beiden Orten überzeugt, daß die neuen Parkanlagen auf einem Boden erfolgten, der zum Teil nicht besser war, als der seine. Das gab ihm, wenn er desselben noch bedurft hätte, neuen Mut und gestützt auf solche Wahrnehmungen fuhr er in seinen Anpflanzungen fort. Auch aus dem
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