Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Samen wurde gezogen, selbstverständlich unter Vermeidung alles Willkürlichen und Zufälligen. Professor Koch in Berlin hatte vielmehr, auf Ersuchen, ein Verzeichnis aufgestellt, in dem angegeben war, welche außereuropäischen Bäume am besten geeignet wären, sich im märkischen Sande zu akklimatisieren, und, gestützt auf diese Liste, wurden nunmehr aus Neuyork, Kanada, Kolumbia, Tiflis und Sibirien Samenarten im Betrage von 2000 Talern bezogen und – ausgesät. Das, was am besten aufging, gab eben dadurch den Beweis, auf unserm Boden vorzugsweise verwendbar zu sein, aber auch das derartig Erprobte und Bewährte sah sich noch wieder vor eine engere Wahl gestellt, in der abwechselnd der Baum von größerem Holzwert und der von prächtigerer Laubfärbung seinen Vorzug geltend machte. So wurden Kulturen hergestellt, die, schönheitlich den Schöpfungen des Fürsten Pückler an die Seite zu stellen, zugleich auch als rentabel anzusehen waren und diese Annahme rechtfertigten. Für 10000 Taler Pflanzbäume konnten in wenigen Jahren aus diesen Anlagen verkauft werden und Kontrakte wurden abgeschlossen, nach denen, von Gentzrode her, die Bäume zur Bepflanzung der auf Berlin einmündenden Chausseen geliefert werden sollten. Es hatte sich nämlich herausgestellt, daß die auf dem leichten Boden der »Kahlenberge« gewonnenen Pflanzbäume zu derartigen Anlagen vorzugsweise verwendbar waren.
So viel über die Waldkulturen, denen unausgesetzt ein großes Interesse gewidmet blieb. Indessen, so groß dasselbe war, so stellte sich doch in einer Art Gegensatz zu dem ursprünglichen Plane mehr und mehr heraus, daß, um das Ganze prosperieren zu lassen, auch das Landwirtschaftliche betont und mit Hilfe eines durch die Brennereiabgänge großzuziehenden Viehstandes der Acker verbessert werden müsse. Dies durchzuführen, war es nötig, immer neue Menschen heranzuziehen, die, nachdem sie einmal da waren, auch untergebracht werden mußten. Und so entstand in kürzester Frist eine ganze Straße von Arbeiterwohnungen: einundzwanzig Familienwohnhäuser, jedes einzelne zu vier Familien.
Es konnte nicht ausbleiben, daß bei diesem beständigen Wachsen von Gentzrode das Interesse der Gentzschen Familie ganz in dieser Lieblingsschöpfung aufging, und schließlich dahin führte, wenigstens den Aufenthalt in Sommertagen »draußen« zur Hauptsache, den drinnen in der Stadt zur Nebensache zu machen. Es war dies eine sehr glückliche Zeit, die zuletzt allseitig den Wunsch entstehen ließ, Gentzrode nicht bloß als Villeggiatur der Familie, sondern als Wohnsitz überhaupt anzusehen. Dazu war aber ein Hausbau ganz unerläßlich.
Alexander Gentz selbst hat sehr anschaulich über diesen Zeitabschnitt und wie sich schließlich die Notwendigkeit eines Wohnhauses herausstellte, berichtet:
»Durch eine Reihe von Jahren hin«, so schreibt er, »hatten wir uns mit der Stube des Inspectors begnügt und darin ein gelegentlich mehr als gemüthliches Dasein geführt. Versuchte beispielsweise der Inspector mit seiner schreienden Stimme Wirthschaftsangelegenheiten zu behandeln, so war gewiß ein Torfmeister da, der mit seinen Berichten aus dem Luch dazwischenfuhr. Und damit nicht genug. Das Mädchen kam klappernd mit den Tassen in die Stube, während meine Frau den Kaffeetisch arrangirte. Mäntel und Fußsäcke hingen zwischen Jagdgewehren und Tabackspfeifen und die Wirthschaftsmamsell kam mit einem Häckselkasten, darin eben gelegte Eier lagen, oder mit ein paar Stücken Butter, die mit nach Ruppin wandern sollten. Und nun setzten wir uns an den Kaffeetisch, an dem alles herrschte, nur nicht Ruhe, denn entweder kamen Tagelöhner und Arbeiter, um die Schlüssel vom Schlüsselbrett zu holen, oder ein Polier oder Zimmergeselle trat ein, um Nägel zu fordern oder irgend was andres. Alles so primtiv wie möglich. So viel Tassen, so viel Größen und Muster und kamen dann mehrere von unsren Beamten und Angestellten und setzten sich mit an denselben Tisch, so wurde der Aufguß-Kaffee immer dünner und der Kümmel den wir in der Brennerei leidlich zu mischen verstanden, mußte aushelfen. Aber dem ungeachtet waren dies glückliche Stunden und wenn Fremde mit uns herausgekommen waren, so wählten wir draußen einen Platz im Freien und nahmen Abends unsre saure Milch unter einem Hollunderbaum an windgeschützter Stelle. Die Kinder waren glücklich und der Hang, dies Idyll zu ändern und mit einem prächtigen Bau zu vertauschen, war, vielleicht grade weil wir
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