Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Gentzrode so liebten, anfänglich höchst gering. Nach und nach stellte sich aber doch, und zwar nach aller Meinung, die Nothwendigkeit heraus, diesen primitiven Zuständen ein Ende zu machen, und als ich in die Lage kam, einen großen an der Landstraße sich hinziehenden Speicher bauen zu müssen, entschloß ich mich, diesem Speicher einen thurmartigen Anbau zu geben, theils um das Straßenbild zu verbessern, theils um endlich einige präsentable Wohnräume zu gewinnen. Und nach diesem Entschlusse wurde denn auch verfahren. Der thurmartige Anbau, mit einem mächtigen Thurmknopf oben, empfing ein großes Zimmer im Erdgeschoß und ein eben so großes im 1. Stock, woran sich dann, im 2. Stock, einige kleinere Räume: Schlafzimmer und Logirzimmer anschlossen.«
So berichtet Alexander Gentz über die Verhältnisse, die diesen turmartigen Speicheranbau mit einem Goldknopf darauf entstehen ließen. Uns erübrigt nur noch, die Räume selbst zu schildern, von denen das Turmzimmer im Erdgeschoß, soviel ich weiß, bis diesen Tag unverändert geblieben ist.
Dies untere Turmzimmer kann als ein in seiner Art interessanter Raum gelten. Man hat hier alles in Bild und Schrift beisammen, die Personen und die Gedanken, die Gentzrode seinerzeit entstehen ließen. Es ist eine dunkelgrüne runde Halle, oben mit goldenen Sternen bemalt. Als Wandbilder (von Wilhelm Gentz herrührend), erst der alte Johann Christian, dann Alexander Gentz, dann der erste Torfmeister, der erste Förster, der erste Brenner, der erste Inspektor. Dazu Versinschriften. Zwischen den beiden Gentz, Vater und Sohn, stehen folgende Reime:
Wer Großes schafft, muß viele Plagen
Mit zähem Muthe fest ertragen.
Auch Dem, der hier den wüsten Sand
Der Kahlenberg' in urbar Land
Verwandelt hat mit Müh und Fleiß,
Ihm machte man sein Streben heiß.
Philisterrede, Spott und Hohn,
War Anfangs seiner Mühe Lohn,
Alsdann des Waldbrands grimme Noth
Hat Untergang ihm fast gedroht.
Doch hat er all die Müh' und Plagen
Mit zähem Muthe fest ertragen.
Er dacht': wem Großes soll gedeihn,
Darf keine Müh und Arbeit scheun,
Muß rüstig brauchen Kopf und Hände,
Dann führt er's doch zum guten Ende.
Dieser längeren Reiminschrift gegenüber stehen folgende kurze Sprüche:
Was verkürzt die Zeit?
Thätigkeit.
Was bringt in Schulden?
Harren und Dulden.
Was macht gewinnen?
Nicht lange besinnen.
Was bringt zu Ehren?
Sich wehren.
So das runde Zimmer im Erdgeschoß. Auch das im ersten Stock war seinerzeit reich geschmückt mit Teppichen, Geweihen und Tigerfellen, mit Raubvögeln und Wildschweinsköpfen, meist selbstgemachte Jagdbeute. Dazwischen waren andre Räume mit Waffen gefüllt, so daß sie einer Rüstkammer glichen; oben aber lief ein Außengang um den Turm herum, von dem aus man einen trefflichen Überblick über Näh' und Ferne hatte.
Das obere Zimmer war Arbeitszimmer für Alexander Gentz, wenn er, auf länger oder kürzer, in Gentzrode verweilte, während das Rundzimmer im Erdgeschoß als Empfangsraum für die Besucher diente, deren sich, in den Sommermonaten, beinah täglich etliche hier zusammenfanden. Auch solche, die für längere Zeit in Gentzrode verweilten, hatten in diesem Parterreraum ihr regelmäßiges Frühstücksrendezvous mit der Familie. Diese Besucher waren meist Freunde aus Berlin, unter ihnen Adolf Stahr und Fanny Lewald, die hier vorübergehend ihren Sommeraufenthalt nahmen.
*
All dies war in den ersten siebziger Jahren. Aber wie seinerzeit das »Inspektorhaus« nicht mehr genügt hatte, so wollte jetzt auch der »Turmausbau« nicht mehr genügen und Alexander Gentz, dessen Torfgeschäft »im Wustrauer Luch« nach wie vor große Gewinnsummen abwarf, hielt jetzt den Zeitpunkt für gekommen, um seine speziell hier in Gentzrode von Anfang an auf das künstlerisch Prächtige gerichteten Ideen verwirklichen zu können. Mit andern Worten, es handelte sich darum, zum Abschluß des Ganzen ein Schloß, einen Park, ein Mausoleum entstehn zu lassen. Und mit dem ihm eignen Feuereifer ging er an die Durchführung dieser neuen Idee. Sein Bruder Wilhelm, der schon damals, einigermaßen kopfschüttelnd, dem allen zusehen mochte, schreibt mir über das Vorgehen aus jenen Tagen: »Alexander wandte sich zunächst an die Herren Kyllmann und Heyden und bat dieselben um einen Entwurf. Aber was die Herren ihm einsandten, eine reizende Zeichnung im Villenstil, mißfiel ihm, weil es ihm nicht groß genug war. Er ging nun die
Weitere Kostenlose Bücher