Wanderungen durch die Mark Brandenburg
wurden sowohl aus Privathäusern wie aus Kirchen entwendet. Verdacht entstand gegen diesen und jenen, verschiedene wurden eingezogen; alle jedoch mußten wieder entlassen werden, weil die Untersuchung nichts gegen sie ergab. Endlich setzte der Magistrat eine Haussuchung fest, von der auch die Geistlichen, deren Ruppin damals gegen fünfzig zählte, nicht ausgeschlossen blieben. Und wirklich, in der Wohnung des Jakob Schildicke fand man das gestohlene Gut. In seinem geistlichen Ornate ward er ins Gefängnis geführt und sein eigenes Geständnis, das am andern Tage erfolgte, überzeugte die Richter von seiner Schuld. Aber dies eigene Geständnis genügte nicht und durch Glockenläuten wurde das Volk zusammengerufen, um unter Gottes freiem Himmel ein ordentlich Gericht zu halten und die Strafe für diesen seltenen Verbrecher festzusetzen. So wollten es Richter und Magistrat. Das Volk indes war gegen jeden Aufschub, und verlangte stürmisch und ohne gesetzliche Prozedur die augenblickliche Hinrichtung. Zwei Bürger, Koppe Königsberg und Heinrich Keller, wurden durchs Los zu Vollstreckern gewählt (man hatte damals, wenigstens in den kleineren Städten, noch keinen Nachrichter) und Jakob Schildicke hing am Galgen, ehe noch eine Stunde vergangen war. Dies Stück Volksjustiz – dem entgegenzutreten Richter und Magistrat nicht die Macht hatten – rief innerhalb der gesamten Geistlichkeit einen Sturm des Unwillens hervor, die Bischöfe von Havelberg und Brandenburg brachten es vor den Papst und Ruppin ward in den Bann getan. Handel und Verkehr stockten, die Tore waren wie gesperrt, und jeder Ruppiner, der sich außerhalb der Stadt betreffen ließ, war vogelfrei. Es kostete viel demütiges Bitten, eh' endlich, nach sechs Jahren, die Absolution erwirkt werden konnte, der umwohnende Adel aber fand es bequem, keine Notiz von der Freisprechungsbulle zu nehmen und seine Angriffe, unter dem Titel: »im Dienst der Kirche«, fortzusetzen.
Die Frage entsteht: Wie stellten sich die Grafen, die doch die nächstoberste Macht im Lande waren, zu all diesen Übergriffen? Waren sie nie zur Hand, um die Städte gegen den Adel, und nie zur Hand, um den Adel gegen die Städte zu schützen? Es scheint, daß ihnen früh der Zügel der Herrschaft entfiel; mühsam sich selber bei Ansehen haltend, waren sie viel zu schwach, um in jedem gegebenen Falle, gleichviel nun wie sich die Rollen tauschten, das Recht des Schwächeren gegen den Stärkeren wahrzunehmen.
Schutz und Ordnung kamen erst in diesen Landesteil, als ein neues, lebendiges Regiment an die Stelle des alten, hinfälligen trat, mit anderen Worten, als die Hohenzollern – nach dem Tode des letzten Grafen Wichmann – das Ruppiner Land als Lehn eingezogen und sich selber als die Herren desselben etablierten. Dies war 1524, wie wir gesehen.
Es kam nun ein Jahrhundert rasch wachsender Prosperität. Die Stadt wußte sich den Hohenzollern zu verpflichten und empfing dafür, neben der Bestätigung alter Privilegien, neue Freiheiten und Vorrechte. Die Zünfte und Innungen waren stark besetzt und Handel und Verkehr blühten unter den Joachims, wie es die Stadt nie vordem gekannt hatte. Der Dreißigjährige Krieg, der wenige Jahrzehnte später dem allen ein Ende machte, warf keine voraufziehenden Schatten in die Ruppiner Gemüter, ahnungslos lebte jeder dem Augenblick und an die Stelle der kriegerischen Erregtheit, in die einst die nachbarlichen Fehden die guten Bürger von Ruppin versetzt hatten, traten jetzt die friedlicheren Aufregungen, zu denen abwechselnd eine Predigt gegen die Pluderhosen oder eine dem Kurfürsten zu leistende »Huldigung« einen immer erwünschten Anlaß gaben.
Die erste Huldigung, die Stadt und Grafschaft nach dem Tode des letzten Grafen (1524) dem damaligen Kurprinzen Joachim darbrachten, war entweder von besonderer Nüchternheit oder die Aufzeichnung faßte sich allzu kurz. Desto mehr erfahren wir über die Huldigung, die, gegen Ausgang desselben Jahrhunderts, die Ruppiner dem Kurfürsten Joachim Friedrich leisteten. Kaspar Witte, einer der beiden Bürgermeister, hat den Hergang selbst beschrieben. Es heißt darin:
Am 23. Juni 1598 kamen der Kurfürst samt Gemahlin zur Huldigung nach Neu-Ruppin; mit ihnen waren die Kanzlei und der Hofstaat. Der ganze alte und neue Rat, dazu die Deputierten von Wusterhausen und Gransee, von Lindow, Zehdenick und Alt-Ruppin, als sie hörten, daß der kurfürstliche Zug die Grenze überschritten habe, fuhren auf drei Wagen bis an den
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