Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
Gegenwehr wandten sich die Pommern zur Flucht, der Oder zu, die jedoch nur von wenigen erreicht wurde. Die Mehrzahl färbte den Boden mit ihrem Blut. Und die Stelle, wo das Blut floß, heißt bis diesen Tag das »rote Land«. Jagow aber, vor den Markgrafen geführt, wurde mit dem Lande belehnt, auf dem er so glücklich gekämpft hatte, und empfing, auf daß sein Name nicht fürder mehr an alte Zeit und alten Groll erinnere, den Namen Uchtenhagen, weil er »uht dem Hagen« d.h. aus dem Walde, zu seiner, des Markgrafen Rettung hereingekommen war.
    So weit die Sage, von der ich annehmen möchte, daß sie der Klasse der bloß aus dem Namen hergeleiteten Zurechtmachungen, also jenen nachträglichen Erfindungen angehört, an denen das siebzehnte und noch mehr das achtzehnte Jahrhundert auf dem Gebiete der Adelsgeschichte so fruchtbar waren.
    Aber das mangelnde historische Fundament soll uns nicht undankbar machen gegen die Sage selbst, die, sie sei jung oder alt, verwirrend oder die rechten Wege führend, um ihrer selbst willen ihre Berechtigung hat. Wir überlassen uns deshalb, ehe wir in das Gebiet der Geschichte eintreten, auch im weiteren noch ihrer Führung und erfahren von ihr mit der ihr eigenen Bestimmtheit, daß es der Schloßberg war, auf dem sich die erste und älteste Burg der Uchtenhagen erhob.
    Und diesem Schloßberg, ohne längeres Verweilen, gilt jetzt unser Besuch.
     
    *
     
    Wir haben Freienwalde mit der Nachmittagspost erreicht und einem jener Cicerones, die den Posthof zu umstehen pflegen, vertraulich mitgeteilt, daß wir noch vor Sonnenuntergang oder doch vor dem Hereinbrechen vollständiger Dunkelheit den Schloßberg zu sehen wünschten, zu Fuß, wenn möglich, zu Wagen, wenn nötig. Da in den Cicerones von Freienwalde gemeinhin mehrere Ämter kumulieren, mindestens aber die Metiers des Führers und des Fuhrmanns zusammentreffen, so ist die Antwort selbstverständlich und nach einer halben Stunde rollt ein Einspänner vor, der nicht voll bis in die Zeit der Uchtenhagens zurückreicht, aber doch beinah. Der Hintersitz ist leer; auf dem Vordersitz befindet sich der Führer selbst, nunmehr als Kutscher, und knipst mit der Peitsche, um sich in seinem neuen Amte zu beglaubigen. Er trägt einen hellgrauen Flauschrock, dazu eine schwarze Tuchmütze, deren Schirm halb über sein Gesicht fällt. Was auf den ersten Blick überrascht, ist, daß er nicht raucht. Aber freilich jene sonderbare Klasse von Personen, der er zugehört und von der jedes Dorf oder jedes Ackerstädtchen wenigstens ein Exemplar aufzuweisen hat, raucht nie. Es sind dies die Träger der Volkspoesie, die Sagenhüter, die Märchenerzähler des Nordens. Sie sind gutgeartet, redselig und schweigsam zugleich, lieben die Scholle, darauf sie geboren, haben einen Anflug von Kränklichkeit und wandern, halb bewundert, und halb belächelt, aber wegen ihrer Verträglichkeit wohlgelitten, wie Fremdlinge zwischen ihrer derberen Umgebung. Obwohl gelegentlich von einer überraschenden Scharfsinnigkeit, haben sie in den gewöhnlichen Fällen des Lebens doch nichts von jener Bauernschlauheit, die sprichwörtlich geworden ist. Das Feld ihres Geistes ist von der Phantasie überwuchert, und so gleichen sie jenem Acker, der zu schwach ist, um ernste und solide Frucht zu tragen, aber dem schönen Unkraut Platz gönnend, desto üppiger in roten und blauen Blumen steht.
    So auch unser Führer und Fuhrmann. Über den Platz, den wir einzunehmen haben, sind wir nicht lange in Zweifel. Namentlich überlassen wir den in Riemen hängenden »Fond« seinem Schicksal und setzen uns auf das Vorderbrett unmittelbar neben den Flauschrock, nicht gewillt, eine zweifelhafte Bequemlichkeit auf Kosten besserer Unterhaltung zu erkaufen. Denn es unterhält sich schlecht auf den Rücken anderer Leute los.
    Noch einmal ein Peitschenknips, diesmal nicht in die Luft, sondern in die Weichen des Einspänners, und über das Straßenpflaster hin, das noch die alten Traditionen des Ortes wahrt, holpert und rasselt unser Wagen, dessen Hintersitz die komischsten Sprünge macht, in den Freienwalder Kiez hinein, bis plötzlich das Holpern und Rasseln einem süßen Gefühl der Glätte und jenem leis knirschenden Tone weicht, den jeder kennt, der aus dem Sturm und Drang schlecht gepflasterter Straßen in den stillen Hafen einer Lehm-und Kieschaussee eingemündet ist.
    Der Abend ist schön, und Duft und Nebel steigen aus den Wiesengründen auf. Der Wald zur Linken steht, wie es im Liede heißt,

Weitere Kostenlose Bücher