Wanderungen durch die Mark Brandenburg
fuhr dann fort:
»Keiner steuerte, keiner führte das Ruder, aber der Kahn ging rechts und links, immer wie der Pudel den Kopf drehte; so kamen sie bis an den Schloßberg. Der Kahn lief jetzt auf, beide sprangen ans Ufer und stiegen bergan. Inzwischen war es dunkel geworden, der Mond war unter; aber ob nun der Hund rückwärts bergan lief, oder ob er den Kopf nach hinten zu gedreht hatte, so viel ist gewiß, Trampe sah immer die zwei Feueraugen vor sich, die ihm bis oben hinauf den Weg zeigten. Und als er nun in den Burghof trat, standen da wohl hundert Fässer, alle voll Gold. Das war so blank, daß es im Dunkeln blitzte. Das Schloß selbst aber lag in Nacht, und nur mitunter glühten die Fenster auf und allerlei Gestalten wurden sichtbar, Ritter und Edelfräulein, die kicherten und lachten. Dahinter klang es dann wie Tanzen und leise Musik. Trampe sah und horchte. Aber nicht lange, so trat ein Ritter an ihn heran, legte ihm eine schwere Hand auf die Schulter und fragte, ›ob er der Böttcher aus Freienwalde sei?‹ Und als Trampe bejaht hatte, befahl er ihm, die Fässer zuzuschlagen: ›Das dreizehnte Faß ist für dich.‹ Und nun ging Trampe an die Arbeit und schlug alle Fässer zu. Das dreizehnte aber, das er vorsichtig gleich bei Seite gestellt hatte, rollte er den Berg hinunter. Er war nun fertig und wollte wieder gehen. Da fuhr es ihm wie eins durch den Kopf, ›ob nicht der Ritter jedes dreizehnte Faß gemeint haben könnte‹, und als er noch so dachte, rollte er auch schon heimlich ein zweites Faß bergab. Als er aber unten ankam, lag nur ein Faß da. ›Hm‹ dachte Trampe ›wirst es noch mal versuchen‹, und stieg wieder bergauf und rollte ein drittes Faß hinunter. Und sehen Sie, das war es ja gerade, was sie gewollt hatten, und als er wieder unten war, war alles verschwunden, auch das erste Faß, und nur an der Vorderspitze des Kahns saß wieder der Pudel und sagte: ›Trampe, du hast verspielt‹. Das ärgerte Trampen und er dachte, als sie zurückfuhren: ›das soll dir auch nicht wieder passieren‹. Ist ihm auch nicht wieder passiert, denn die Uchtenhagens haben ihn nie wieder holen lassen, wenn sie einen brauchten, um ihre Fässer zuzuschlagen.«
Die Geschichte, die bedeutungsvoll mit dem Zusatz, »wie sie sich die Kiezer erzählen«, eingeführt worden war, war kaum zu Ende, so hielten wir auch schon am Fuße des Schloßberges, vielleicht an derselben Stelle, wo an jenem Abend der bedenkliche Uchtenhagensche Fährmann seinen Kahn gelandet hatte. Wir sprangen vom Wagen, schirrten aus, schlugen die Leine vorsichtshalber um einen Baumstamm, wiewohl der Charakter unseres Einspänners alle möglichen Garantien für sein Wohlverhalten bot, und stiegen den Berg hinan. Es war inzwischen immer finsterer geworden und dichte Schatten lagen um uns her, die durch zwei Lichter am Ausgang einer seitwärts gelegenen Schlucht nur noch zu wachsen schienen. Ich war etwas zurückgeblieben und beeilte mich, weil ich an Trampe dachte, wieder an die Seite des Führers zu kommen. Und es gelang auch. In demselben Augenblick aber, wo ich seinen Arm streifte, klang es wie Hundeblaff von der Schlucht her über den Berg, und ich zuckte zusammen und stand. Der Führer, der meinem Gedankengange gefolgt sein mußte, sagte ruhig: »Das ist dem Müller seiner; der andere blafft nicht.« Und die Ruhe, mit der er dies sagte, überhob mich jeder Verlegenheit. So kamen wir endlich auf der Kuppe des Hügels an.
An der Rückseite desselben befinden sich noch halbmannshohe Mauerreste, mit deren Hilfe sich die Grundform der ehemaligen Burg, besonders aber des Burgtors, vielleicht bestimmen ließe. Der Eingang in das letztere, noch deutlich erkennbar, wird irrtümlich als Kellereingang bezeichnet, weil sich die Phantasie der Kiezer am liebsten mit Kellergewölben und den Trampeschen Fässern beschäftigt.
Wir unsererseits maßen zunächst die Überbleibsel der alten Umfassungsmauer aus, setzten uns dann, einen Strauch als Lehne, auf die Trümmerwand und blickten in die Schlucht nieder, aus der Elsen- und Birkengebüsch so dicht, so still, so schwellend heraufzusteigen schien, wie Blätter aus einem Korbe quellen, in den sie zuvor gepreßt wurden. Und dazu klang es in der Tiefe wie ein Quell, der über Kiesel fällt. Ich fragte: »Ist das ein Wasser unten?« »Ja.« »Wie heißt es?« »Das klingende Fließ.« Sonst war alles ruhig. Der Führer, längst gesprächig geworden, fing an zu erzählen von Pfingst- und Maiennächten, wenn
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