Wanderungen durch die Mark Brandenburg
jährlich weit über tausend Wispel und der Buckower Hopfen war es, der dem Bernauer Bier zu seinem Ruhme half. Noch gibt es Hopfengärten in Buckow, aber ihre Bedeutung für die Stadt ist hin und die überall siegreiche Kartoffel erobert auch hier das Terrain. Kümmerlich schlägt sich die Stadt mit Spaten und Hacke durch; Kommunalvermögen ist nicht da; die vier Jahrmärkte werden nicht besucht und die alte Hügelkirche, mit reichem Altar und mächtigen Glocken, würde schwerlich in solcher Stattlichkeit auf die Stadt herabsehen, wenn sie vom jetzigen Buckow gebaut werden sollte.
Die Buckower sind ordentliche, fleißige Leute, die sich's sauer werden lassen; aber sei es, daß ihre wendisch-deutsche Blutmischung nicht ganz die richtige ist, oder daß sie's nicht verwinden können, vor lieber langer Zeit einmal reich gewesen zu sein, gleichviel, sie haben eine Vorliebe für's Prozessieren und gelegentlich auch wohl für die Selbsthilfe. Es existieren darüber viel heitre und viel traurige Geschichten. Eine Geschichte dieser Art, die lustig und traurig zugleich, spielte vor kurzem erst, als die Buckower mit ihrem »Grafen« – dem Grafen Flemming, Besitzer der Herrschaft Buckow – in Streit gerieten. Dieser Streit nahm ein paar Tage lang den Charakter an, als habe sich ein Vorgang aus dem fünfzehnten Jahrhundert in unsre Zeit hineinverirrt; die Bürger zogen zu Felde, schlugen die gräflichen Mannen in die Flucht, nahmen Posseß vom streitigen Terrain und pflanzten ihr Banner auf dem eroberten Grund und Boden auf. Kurzum eine mittelalterliche Fehde in bester Form. Streitobjekt war ein Forst, den der Graf als seinen, die Stadt als ihren beanspruchte. Die Gerichte hatten zugunsten des Grafen entschieden, aber die Stadt schüttelte den Kopf und so geschah, was eben gemeldet. Ein Bänkelsänger, der just des Weges kam, hörte von dem kaum geschlichteten Streit und das Balladenhafte des Vorganges rasch erkennend, brachte er alles in »neue Reime aus diesem Jahr«. Ich habe das Blatt zufällig in die Hand bekommen und gebe etliche Strophen daraus.
Die Bürger von Buckow saßen beim Bier,
Das gab ein lärmen und streiten,
Sie sprachen vom Grafen und ihrem Prozeß,
Von Instanzen, ersten und zweiten.
Sie wußten es alle klipp und klar,
Daß der Graf die Richter bethörte
Und daß der Forst, trotz erster Instanz,
Von je zur Stadt gehörte.
Drum (hieß es) hätten sie appellirt
Und sie wußten aus guten Gründen,
Daß über ein Kleines, in Woch oder Tag,
Die Sachen ganz anders stünden.
So klang es. Nur einer saß am Tisch,
Der spielte mit Gabel und Teller,
Und rief jetzt: »Heh! zwei Seidel frisch,
Zwei bairisch aus dem Keller.«
Er leerte das aufgehobene Glas
Mit einem einzigen Zuge
(Seine blinzelnden Augen tranken zugleich
Aus dem stehen gebliebenen Kruge);
Er strich den Schaum sich aus dem Bart
Und wetterte über die Tische:
»He, Bürger von Buckow, was immer ihr prahlt,
's sind alles faule Fische.
Ihr habt keinen Muth; dieweil Ihr hie
Abschießt eure Pfeile und Bolzen,
Läßt draußen der Graf in eurem Forst
Die Tannen niederholzen.
Ihr habt keinen Muth; ich sprech es mit Scham,
Ihr seid wie andre Philister;
Wer heute die Orgel spielen will,
Der braucht ein tiefer Register.
Ihr wißt nichts von der hohen Magie,
Von dem Zauber dieser Tage,
Der Zauber nennt sich fait accompli
Und sein Spruch ist: thu und wage.
Ihr kommet nie und nimmer zum Ziel
Mit Klagen, Akten und Pakten,
Es giebt nur eines, das heut hilft:
Thatsachen, Griffe, Fakten.
Greift zu, verschafft euch selber Recht
Mit euren eig'nen Händen, –
Die Schläger des Grafen schlagen im Wald,
Wohlan, ihr müßt sie pfänden.«
Nun folgen sechs, acht Strophen, in denen beschrieben wird, wie alles dem Redner zujubelt, wie die Bürger sich rüsten und andern Tages wirklich ausziehen, um die »Pfändung der Gräflichen« vorzunehmen. Drei andre Strophen schildern den Zug selbst; 14 dann endlich treten sie in den Wald.
Und als sie sich nahten dem strittigen Grund –
Da, vernehmbar aus dem Gehege
Herklangen schon durch die stille Luft
Der Holzaxt dumpfe Schläge.
Der Tag war heiß, die Luft war still,
Der Wald schwieg wie beklommen,
Nur leise rauschten die Wipfel sich zu:
»Sie sind es: die Buckower kommen.«
Der Kampf ist nur kurz. Die gräflichen Holzschläger strecken die Waffen und die Sägen und Äxte werden gepfändet. Ein Hurra klingt dreimal durch
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