Wanderungen durch die Mark Brandenburg
blasse Gesicht und der Rosmarinkranz im Haar rührten kein Herz mehr und kaum jemand existierte, für den die Schaumünze und das Medaillon, die auf dem Herzen des Knaben ruhten, eine Bedeutung gehabt hätten. Man nahm sie als Ornament, als Einfall des Malers. Da, während der zwanziger oder dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts, als ein Umbau nötig geworden, stiegen die Uchtenhagens noch einmal aus ihrer Gruft an das Tageslicht hinauf, und in langer Reihe, das Kirchenschiff hinunter, standen ihre Kupfer- und Eichensärge. Vor dem Altar aber stand ein kleiner Sarg, der Sarg Kaspars von Uchtenhagen. Man nahm den Deckel ab, und siehe da, da lag das Kind ganz wie auf dem Bilde mit Kranz und Krause. Erst bei der Berührung zerfiel alles zu Staub und Form und Hülle waren hin. Aber das schwarze Seidenband hielt noch und an dem Seidenbande hingen, wie das Bildnis es zeigt, eine Schaumünze und ein Medaillon. Beide werden aufbewahrt und sind eine Sehenswürdigkeit von Stadt und Kirche. Die Schaumünze hat das übliche Ansehen, das Medaillon aber, etwa anderthalb Zoll lang und einen Zoll breit, ist in zierlichster Weise den Formen eines alten Gebetbuches nachgebildet, mit geripptem Rücken und zwei kleinen Klammern daran. Diese Klammern sind festgenietet und öffnen also weder sich selbst noch das Buch, wohl aber bewegt sich an der Stelle, die dem Schnitt des Buches entsprechen würde, ein kleiner Schieber hin und her und ermöglicht, eine Reliquie oder eine geweihte Hostie in das Büchelchen hineinzulegen. Nichts derart indessen ward an jenem Tage, wo die Särge noch einmal ans Licht emporstiegen, in dem goldenen Büchelchen gefunden und nur ein Zettel fiel heraus, auf dem geschrieben stand: Psalm 63, 10. Diese Stelle aber lautet: »Sie aber stehen nach meiner Seele, mich zu überfallen« und die darinliegende Hindeutung hat der alten Sage, wie sie vorstehend erzählt wurde, zu neuem Leben verholfen.
Ja, sie wächst wieder. Um Mitternacht, so heißt es jetzt, glühen die Fenster der alten Kirche plötzlich in rotem Lichte auf, und die Gestalt Kaspars von Uchtenhagen in weißem Sterbekleide und mit glattanliegendem Haar tritt vor den Altar und spricht leise aber vernehmlich das Kirchenschiff hinunter:
Alle Liebe ist nicht stark genung,
Ich muß doch sterben und bin so jung.
Und wenn der Ruf verhallt ist, erlischt der rote Schein in den Fenstern und alles ist wieder wie zuvor.
So erzählen Sage und Geschichte vom alten Geschlecht der Uchtenhagens.
Buckow
Das dritte, das dritte noch wissen wir's nicht,
Doch bleibt es das Best' an der ganzen Geschicht',
Courage, Courage!
Chamisso
Buckow hat einen guten Klang hierlands, ähnlich wie Freienwalde, und bei bloßer Nennung des Namens steigen freundliche Landschaftsbilder auf: Berg und See, Tannenabhänge und Laubholzschluchten, Quellen, die über Kiesel plätschern, und Birken, die vom Winde halb entwurzelt, ihre langen Zweige bis in den Waldbach niedertauchen.
Ja, Buckow ist schön, aber doch mit Einschränkung. Es hängt alles davon ab, ob wir Buckow die Gegend oder Buckow die Stadt meinen; – allen Respekt vor jener, aber Vorsorge gegen diese. Seine Häuser kleben wie Nester an Abhängen und Hügelkanten und sein Straßenpflaster, um das schlimmste vorwegzunehmen, ist lebensgefährlich. Es weckt mit seiner hals- und wagenbrechenden Passage die Vorstellung, als wohnten nur Schmiede und Chirurgen in der Stadt, die schließlich auch leben wollen. Von Löchern ist längst keine Rede mehr; wo dergleichen waren, sind sie zu einer rinnenartigen Vertiefung geworden, und als Friedrich Wilhelm IV. vor einer Reihe von Jahren Buckow passierte, sah sich die Kommune veranlaßt, die Hauptstraße der Stadt fußhoch mit Sand bestreuen zu lassen. Dieser Beschluß wurde aber nicht gleich gefaßt. Viele hatten vielmehr vorgeschlagen, das Pflaster zu lassen wie es sei, um den König desto eher zu einer milden Beisteuer zu bewegen, in dankbarer Erinnerung »an Rettung aus Lebensgefahr«. Aber der Vorschlag mußte freilich scheitern, weil eben niemand diese Rettung als gesichert voraussagen durfte. So wurde denn Sand gestreut und das alte Pflaster der Stadt erhalten. Für schwache Achsen ist Buckow dasselbe, was Wien für schwache Lungen ist – keiner kommt heil heraus.
Buckow war einmal wohlhabend, aber das ist lange her. Im vierzehnten Jahrhundert, auch später noch, blühte hier der Hopfenbau und gab dreiunddreißig Hopfengärtnern reichliche Nahrung. Sie gewannen
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