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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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sie gebaut, und sie ist das eigentliche und beste Monument des heimgegangenen Geschlechts. Bis vor wenigen Jahren lagen noch verschiedene Grabsteine vor den Stufen des Altars, unter dem in gewölbter Gruft die Toten ruhten; – nun sind die Grabsteine fort und die Gruft ist verschüttet. Aber anderes ist geblieben. Über der niedrigen Sakristeitür, zur Linken des Altars, befindet sich das beinahe lebensgroße Bildnis Kaspars von Uchtenhagen, desselben, von dem die Sage erzählt, daß Bosheit ihn vergiftet habe. Das Bild ist, mit Rücksicht auf die Zeit, in der es entstand, eine vorzügliche Arbeit. Beschreib' ich es. Ein Tischchen steht zur Seite mit einer roten Decke darüber; auf dem Tische liegt die hohe Sammetmütze des Knaben, in Form und Farbe den Otterfellmützen nicht unähnlich, denen man noch jetzt in den Oderbruchgegenden begegnet; vor dem Tisch aber steht der Knabe selbst; blaß, durchsichtig, mit schmalen Lippen und rotblondem Haar, ein feines Köpfchen, klug, und durchgeistigt, aber wie vorausbestimmt zu Leid und frühem Tod. Seine Kleidung zeigt reicher Leute Kind. Ober dem roten Unterkleid trägt er einen grünen Überwurf mit reichem Goldbesatz, und eine getollte Halskrause, weiße Ärmelchen und schwarze Sammetschuhe vollenden seine Kleidung und Erscheinung. In der Rechten hält er eine schöne, große Birne, während ein Bologneser Hündchen bittend, liebkosend an ihm emporspringt. Die Umschrift aber lautet: »Da ich, Caspar von Uchtenhagen, bin gewest dieser Gestalt, war ich viertehalb Jahr alt, Anno 1597 den 18. November.«
    Es ist ersichtlich, daß dies überaus anziehende Bild, das wirklich eine Geschichte herauszufordern scheint, die äußere Veranlassung zu jener Sage gegeben hat, die ich bereits erzählt habe. Die Birne, das Hündchen, der Ausdruck von Wehmut in den Zügen, dazu der frühe Tod, – es hätte, der Kiezer und ihrer sagenbildenden Kraft ganz zu geschweigen, in den Herzen der Freienwalder selbst kein Fünkchen Poesie lebendig sein müssen, wenn sie sich die Gelegenheit hätte entgehen lassen wollen, aus so dankbarem und so naheliegendem Stoff eine Sage ins Leben zu rufen.
    Wir freuen uns, daß die Sage da ist, möchten sie nicht missen, aber sie ist eben Sage und nicht mehr. Der Beweis ist mit Leichtigkeit zu führen. Das Bildnis selbst belehrt uns in seiner Umschrift, daß es gemalt wurde, als Kaspar von Uchtenhagen ist »vierthalb Jahre alt gewest«. Er muß also, da wir die Birne auf diesem Bilde bereits erblicken, besagte Birne, wenn er sie überhaupt aß, mit viertehalb Jahren gegessen haben. Kaspar von Uchtenhagen starb aber erst sechs Jahre später, und würden wir, um der Sage gewaltsam eine historische Grundlage zu geben, durchaus annehmen müssen, daß die durch Brauen von Gifttränken niemals berühmt gewesene Mark Brandenburg eine selbst Italien überbietende Meisterschaft in der Aqua-Tofana-Kunst besessen habe.
    Kaspar von Uchtenhagen, wie uns sein eigen Bild am besten belehrt, starb einfach daran, daß seine Seele von Geburt an in einem halbverklärten Leibe gewohnt hatte. Er starb und ward in »der Gruft unterm Altar beigesetzt«. An der hintern Wandung des Altars aber, schlecht übermalt und minder gut erhalten als das erste, bereits beschriebene Bildchen, begegnen wir einem zweiten Bilde des Knaben, das ihn uns zeigt, wie der nunmehr Neunjährige, blaß und die Ruhe des Todes auf der Stirn, im offenen, blumenüberstreuten Sarge liegt. Er trägt ein weißes Sterbehemd und in dem glattanliegenden Haar einen blühenden Rosmarinkranz; um den Hals aber schlingt sich ein schwarzes Band, daran, bis zur Brust hernieder, eine Schaumünze und ein länglich viereckiges Medaillon hängen. Eine Unterschrift gibt Tag und Stunde seines Todes; die Wappen der Sparrs und der Uchtenhagens schieben sich in die oberen Ecken des Bildes ein, und daneben lesen wir, nicht ohne an den Vollklang lateinischer Kirchenlieder erinnert zu werden:
     
    Ah tibi Jesu lectulum
    In me para mollissimum,
    Meo quiesce pectore
    Et intime servabo te;
     
    Worte, denen als deutscher Text der dreizehnte Vers von Luthers Liede: »Vom Himmel hoch da komm' ich her« beigefügt ist:
     
    Ach mein herzliebes Jesulein,
    Mach Dir ein rein sanfft Bettelein,
    Zu ruh'n in meines Herzens Schrein,
    Daß ich nimmer vergesse Dein.
     
    Noch wenige Worte. Kaspar von Uchtenhagen ruhte bereits länger denn zweihundert Jahr in der Gruft seiner Väter und wenige waren es, die nach dem Bilde hinterm Altar blickten. Das

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