Wanderungen durch die Mark Brandenburg
geschrieben. Von besonderer Wichtigkeit war der sonntägliche Kirchgang. In vollem Staat, gefolgt von Frau und Kindern, erschien dann der alte Gardekapitän auf seinem Chor und teilte seine Aufmerksamkeit zwischen dem Prediger und der Gemeine. Sein kontrollierender Blick war über dem Ganzen. Ein eigens bestallter Kirchenvogt mußte aufmerken, wer von den Bauern ausgeblieben war, von denen jeder, der ohne triftige Ursache fehlte, an seinem Beutel oder seinem Leibe bestraft wurde. Dabei war August Gebhard ein Lebemann. Sein Haus stand gastlich offen und in heiterer Gesellschaft vergingen die Tage. Man aß von silbernem Geschirr und eine zahlreiche Dienerschaft wartete auf. Der Sommer gehörte dem Leben auf dem Lande, aber der Winter rief alles nach Berlin. In einem mit sechs Hengsten bespannten Wagen brach man auf und ein Läufer in voller Livree lief vor dem Zuge her. Auch in Berlin machte August Gebhard ein Haus; vornehme Gesellschaft ging aus und ein, angezogen durch den feinen und geistreichen Ton seiner zweiten Gemahlin, einer geborenen von der Goltz. Das Weihnachtsfest führte die Familie auf kurze Zeit nach Friedersdorf zurück, bis mit dem herannahenden Karneval der Läufer und die sechs Hengste wieder aus dem Stall mußten.
Das waren die Zeiten August Gebhards. Die kommenden Jahre trugen von allen Seiten her Verwüstung in das Land und zerstörten die Wohlhabenheit, die die gesunde Basis dieses patriarchalischen Lebens war. August Gebhard starb 1753. Er hinterließ drei Söhne, von denen wir jedem einzelnen, statt der Verwirrung stiftenden Vornamen, lieber ein bezeichnendes Beiwort geben wollen. So nennen wir denn den ältesten den Hubertusburg-Marwitz, den zweiten den Hochkirch-Marwitz, den dritten aber, der nicht Gelegenheit fand, im Kriege sich auszuzeichnen, einfach nach seinem Titel, den Kammerherrn Marwitz. Von jedem mögen hier ein paar Worte stehen.
Der Hubertusburg-Marwitz (Johann Friedrich Adolf) war 1723 geboren. Er trat in das Regiment Gensdarmes und avancierte von Stufe zu Stufe. Er war ein sehr braver und in großer Achtung stehender Soldat, ein feiner und gebildeter Weltmann, ein Freund der Literatur und der Kunst. Der große König schätzte ihn hoch, besonders auch, weil er das Regiment Gensdarmes fast den ganzen Siebenjährigen Krieg hindurch, statt des eigentlichen Kommandeurs, Grafen von Schwerin, mit dem größten Sukzeß geführt hatte. Bei Zorndorf war er mit unter den besten gewesen.
So kam das Jahr 1760. Der König hatte nicht vergessen, daß es sächsische Truppen gewesen, die das Jahr vorher Schloß Charlottenburg geplündert hatten, und voll Begier nach Revanche gab er beim Einrücken in Sachsen sofort Befehl, Schloß Hubertusburg – dasselbe, das später durch den Friedensschluß berühmt wurde – zu zerstören. Das Mobiliar des Schlosses sollte dem plündernden Offiziere zufallen. Der Befehl zur Ausführung traf unsern Marwitz, der damals Oberst war. Dieser schüttelte den Kopf. Nach einigen Tagen fragte ihn der König bei Tisch, ob Schloß Hubertusburg ausgeplündert sei? »Nein«, erwiderte der Oberst. Eine andere halbe Woche verging und der König wiederholte seine Frage, worauf dieselbe lakonische Antwort erfolgte. »Warum nicht?« fuhr der König auf. »Weil sich dies allenfalls für Offiziere eines Freibataillons schicken würde, nicht aber für den Kommandeur von Seiner Majestät Gensdarmes.« Der entrüstete König stand von der Tafel auf und schenkte das Mobiliar des Schlosses dem Obersten Quintus Icilius 37 , der bald darauf alles rein ausplünderte.
Bei allen Revuen nach dem Frieden war nun der König immer höchst unzufrieden, andere Offiziere wurden dem tapferen Gensdarmenobersten vorgezogen und Marwitz forderte seinen Abschied. Der König verweigerte ihn. Neue Kränkungen blieben indes nicht aus und Marwitz kam abermals um seine Entlassung ein. Keine Antwort. Da tat Johann Friedrich Adolf keinen Dienst mehr und blieb ein ganzes Jahr lang zu Hause. Nun lenkte der König ein und versprach ihm das nächste vakante Regiment. Aber vergeblich. Er ließ antworten: er habe so gedient, daß er sich kein passe droit brauche gefallen zu lassen; was geschehen sei, sei geschehen, und könne kein König mehr ungeschehen machen. Zugleich forderte er zum drittenmal seinen Abschied und erhielt ihn nun (1769).
Er war damals erst sechsundvierzig Jahre alt. Das Ende seines Lebens entsprach nicht dem ruhmreichen Anfang. Aller regelnden Tätigkeit und jener wohltätigen
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