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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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vorhergehende.
    »Er kam geritten auf einem großen weißen Pferde, ohne Zweifel der alte Condé, der nachher noch zwanzig Jahre lang das Gnadenbrot auf der école vétérinaire bekam. Sein Anzug war derselbe wie früher auf der Reise, nur daß der Hut ein wenig besser konditioniert, ordentlich aufgeschlagen und mit der Spitze nach vorn, echt militärisch aufgesetzt war. Hinter ihm waren eine Menge Generale, dann die Adjutanten, endlich die Reitknechte. Das ganze Rondell (jetzt Belle-Alliance-Platz) und die Wilhelmstraße waren gedrückt voll Menschen, alle Fenster voll, alle Häupter entblößt, überall das tiefste Schweigen, und auf allen Gesichtern ein Ausdruck von Ehrfurcht und Vertrauen, wie zu dem gerechten Lenker aller Schicksale. Der König ritt ganz allein vorn und grüßte, indem er fortwährend den Hut abnahm. Er beobachtete dabei eine sehr merkwürdige Stufenfolge, je nachdem die aus den Fenstern sich verneigenden Zuschauer es zu verdienen schienen. Bald lüftete er den Hut nur ein wenig bald nahm er ihn vom Haupte und hielt ihn eine Zeitlang neben demselben, bald senkte er ihn bis zur Höhe des Ellbogens herab. Aber diese Bewegung dauerte fortwährend, und sowie er sich bedeckt hatte, sah er schon wieder andere Leute und nahm den Hut wieder ab. Er hatte ihn vom Halleschen Tore bis zur Kochstraße gewiß zweihundertmal abgenommen.
    Durch dieses ehrfurchtsvolle Schweigen tönte nur der Hufschlag der Pferde und das Geschrei der berlinischen Gassenjungen, die vor ihm tanzten, jauchzten, die Mützen in die Luft warfen, oder neben ihm hersprangen und ihm den Staub von den Stiefeln abwischten. Bei dem Palais der Prinzessin Amalie angekommen, das jetzt dem Prinzen Albrecht gehört, war die Menge noch dichter, denn sie erwartete ihn da. Er lenkte in den Hof hinein, die Flügeltüren gingen auf und die alte, lahme Prinzessin Amalie, auf zwei Damen gestützt, die Oberhofmeisterin hinter ihr, wankte die flachen Stiegen hinab, ihm entgegen. Sowie er sie gewahr wurde, setzte er sich in Galopp, hielt, sprang rasch vom Pferde, zog den Hut, umarmte sie, bot ihr den Arm und führte sie die Treppe wieder hinauf. Die Flügeltüren gingen zu, alles war verschwunden, und noch stand die Menge, entblößten Hauptes, schweigend, alle Augen auf den Fleck gerichtet, wo er verschwunden war, und es dauerte eine Weile, bis jeder sich sammelte und ruhig seines Weges ging.«
    In seinem achten Jahre erhielt Marwitz einen Hofmeister. Er hieß Herr Rosa, war ein völliger Ignorant, aber ein rechtschaffener Mann. Die Unterrichtsmethode, nach der er verfuhr, erwies sich als die einfachste von der Welt, bewährte sich aber durchaus. Schröckhs allgemeine Weltgeschichte, um ein Beispiel für seine Methode zu geben, wurde vorgelesen, was ungefähr ein Jahr lang dauerte. War die letzte Seite gelesen, so wurde mit der ersten wieder angefangen. Der Sonnabend gehörte der Repetition. Nachdem Marwitz seinen Schröckh zweimal durch hatte, fingen diese Repetitionsstunden an, eine Redeübung zu werden. Marwitz, mit gutem Gedächtnis ausgerüstet, hatte den Inhalt des Buches beinahe wörtlich im Kopfe und sah sich dadurch in den Stand gesetzt, jedes Kapitel wie eine Erzählung vorzutragen. Der Vorteil, der dadurch gewonnen wurde, war ein doppelter: die Dinge saßen fest fürs Leben und die Gewohnheit des Vortraghaltens gewann ihm die nicht hoch genug zu schätzende Fähigkeit, aus dem Stegreif zusammenhängend reden zu können.
    Dreizehn Jahre alt trat Marwitz als Junker in das Regiment Gensdarmes, also in dasselbe Regiment, in dem schon so viele Marwitze, darunter zwei seiner Oheime, gedient und Ruhm und Auszeichnung gefunden hatten. Dieser Eintritt verstand sich ganz von selbst; an die Möglichkeit eines andern Berufs war im Vaterhause nie gedacht worden. Marwitz gedachte dessen immer voll Dank, denn wie wenig auch die Verhältnisse ihm zu Gunst und Willen gewesen waren, immer blieb er dabei, daß das Leben des Kriegers das schönste und der Krieg der Prüfstein des Mannes sei. In etwas einseitiger, aber charakteristischer Auffassung schrieb er darüber noch kurz vor seinem Tode: »Zu vieles Lernen ertötet den Charakter. Im Kriege nur fallen all die Künste weg, welche den Schein an die Stelle des Verdienstes setzen. Diese Eigenheit des Krieges wird nicht genugsam erkannt. Blick und Urteil unter erschwerenden Umständen, Tapferkeit und Ausdauer können nirgends anders als im Kriege gezeigt und erprobt werden. Nur hier kann man mit Sicherheit auf

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