Wanderungen durch die Mark Brandenburg
launisch mit ihren Gunstbezeigungen, und die Mode, wenn man das Wort auch auf die Kunst anwenden darf, wechselt bei ihnen sehr schnell. Vernet und Delaroche galten bei meiner Ankunft in Paris schon als abgetan. Da mir eigentlich der geschichtliche Sinn abgeht, so lag mir P. Delaroche ferner. An Horace Vernet interessierte mich das orientalische Element in seinen Bildern und die Anwendung desselben auf biblische Darstellungen. Am meisten war ich berauscht vom Kolorit des Delacroix. Ich sage absichtlich ›berauscht‹, da ich mir selbst keine Rechenschaft darüber zu geben wußte. Delacroix hat sehr wenig Schüler gebildet und besaß auch kein Schüleratelier. Das bedeutendste und am zahlreichsten besuchte Atelier hatte Delaroche, welches Atelier, als ich nach Paris kam, an Delaroches Stelle, der es aufgegeben, Gleyre übernommen hatte. Einige Jahre darauf besuchte ich auch das Couture-Atelier. Bei Gleyre glaubte ich mich in der Zeichnung befestigen zu können; Couture war mehr Kolorist. Durch seine »Décadence des Romains« hatte dieser letztere großes Aufsehen gemacht und einen bedeutenden Zufluß von Schülern erhalten, besonders auch von Deutschen, Feuerbach und Henneberg unter ihnen. Gleyre, ein Schweizer aus Genf, war ein nobler Charakter, hoch und klassisch gebildet, verkehrte viel mit Schriftstellern, war uneigennützig, ließ sich von den Schülern nur seine Auslagen an Miete, Heizung und Modellen bezahlen. Sein Horizont war ein weiterer wie der von Couture, der mit Vorliebe von der ›art parisien‹ sprach. Coutures Römer waren Pariser. Jeder lernte bei ihm schnell. Aber seine Lehre war ein Rezept, ein Schema. Man mußte sich später dessen wieder zu entledigen suchen; in der Tat, er war hauptsächlich Techniker, und Gleyre sagte von ihm, freilich zu weit gehend, ›daß er nur die cuisine de la peinture verstünde‹. Coutures Ideal in der Malerei war Paul Veronese. Im Exterieur hatte Couture große Ähnlichkeit mit Gussow. Wenn heute, nachdem die von Courbet geführten Realisten eine große Wandlung herbeigeführt haben, ganz andere Richtungen maßgebend geworden sind, wenn die Impressionisten und Pleinairisten einerseits und die Kabinettsmaler mit minutiösester Ausführung, von Meissonier ausgehend, andererseits den Tag beherrschen, so haben doch die Hauptwerke Gleyres und Coutures eine Stelle im Louvre gefunden, eine große Ehre, die nur den Werken zuteil wird, die, früher fürs Luxemburgmuseum vom Staat angekauft, noch zehn Jahre nach dem Hinscheiden ihrer Autoren, von einer Jury für würdig dazu erachtet werden. Die übrigen Werke nicht mehr lebender Künstler werden an die Privatmuseen verteilt.«
»... Während der Studienzeit bei Gleyre machte ich eine längere Reise, dreiviertel Jahr, nach Spanien und Marokko. Nach Spanien deshalb, um die im Louvre begonnenen Studien nach alten Meistern zu vervollständigen. Ich malte im Museum zu Madrid während dreier Monate eine Anzahl Skizzen nach Tizian, Velasquez, Ribera, Alonso Cano usw. Das Madrider Museum ist, in bezug auf Bilder, eines der besten in Europa, gegen fünfzig Bilder Tizians, des Lieblingsmalers von Karl V. und Philipp II., zieren dasselbe. Fünfzehn Raphaels sind da, und die spanischen Meister, für die ich eine Vorliebe hegte, sind selbstverständlich vollzählig, so daß sich allein vier große Säle mit Velasquez' Werken vorfinden. Velasquez ist vielleicht der Maler, der den Übergang zur modernen Auffassung der Malerei einleitete. Er war wenigstens der erste Geschichtsmaler im eigentlichen Sinn des Wortes, in seinem berühmten Gemälde ›Las Lanzas‹ genannt, welches die Übergabe von Breda darstellt. Die Rubensschen Geschichtsbilder konnten sich des allegorischen Beiwerks nicht entledigen. Velasquez' Genrebilder mit lebensgroßen Figuren sind auch schon im modernen Sinne konzipiert, z.B. der Besuch in einer Gobelinfabrik, ein Bild, das Gerôme für das bestgemalte Bild überhaupt erklärt hat. Die Spanier halten ihre großen Meister auch hoch in Ehren; Murillo gilt ihnen als der ›pintor del cielo‹, Velasquez als der der ›tierra‹. Merkwürdigerweise hat auch Murillo höchst realistische Genrefiguren (München, Louvre) gemalt. Die Porträts des Velasquez stehen in ihrer Art auf dem Gipfelpunkt des Erreichbaren. Der geistreiche Blick derselben erhascht, nach dem Ästhetiker Vischer, ›den reinsten Phosphor der Persönlichkeit‹.
Man hat in Spanien immer das Gefühl, daß es eine Weltmacht war; häufig begegnet man noch
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