Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Altertum, die der Direktor des Ruppiner Gymnasiums, Professor Dr. Starke, uns einzuflößen verstanden hatte, nicht unwesentlich dazu bei, desgleichen die häufige Lektüre Lessings, Goethes und besonders Winkelmanns, dessen Geschichte der griechischen Kunst ich damals mit Vorliebe studierte.
Etwas später, als Primaner, reiste ich in den Ferien nach Kopenhagen, um Thorwaldsens Werke kennenzulernen. Bis Lübeck ging es zu Fuß. Dort empfing ich, angesichts der schönen Kirchen und Rathäuser, zuerst eine Ahnung mittelalterlicher Kunst.
Die heimatliche Mark, so großen poetischen Genuß sie auch durch ihre Seen, Wälder und Wiesen gewähren kann, ist doch andererseits nicht geeignet, uns die Romantik des Mittelalters nahezubringen. Daher blieb mir denn auch bis ins reifere Mannesalter hinein die strenge Kunst (die recht eigentlich vaterländische) der Dürer und Holbein fremd. Jetzt freilich glaube ich zu verstehen, daß die Holbein, Dürer und van Eyck auch ein Höchstes in der Kunst geleistet haben. Bessere Zeichnungen, das heißt charakteristischere, als die Porträts von Holbein in Basel, kann ich mir in ihrer Art nicht vorstellen.
Ehe ich das Abiturientenexamen nicht gemacht, durfte ich auch Ruppin nicht verlassen. Nun aber war der Moment der Freiheit da. Ich erinnere mich noch des seligen Gefühls, als ich im Postwagen saß und meiner Vaterstadt Lebewohl gesagt hatte. Mit den übrigen Personen, die den Postwagen füllten, ein Wort zu sprechen, war mir unmöglich, und ich mußte Bemerkungen über mein schroffes und unliebenswürdiges Wesen mit anhören. Die Leute hatten ganz recht; aber ich war in meinen Gedanken zu glücklich, um an ihrem Geplauder Gefallen finden zu können.«
II
In Berlin im von Klöberschen Atelier. Reise nach Antwerpen und London
(Von 1843 bis 1845)
Ostern 1843 traf W. Gentz, zwanzig Jahre alt, in Berlin ein und begann, wie er es den Eltern zugesagt hatte, mit Vorlesungenhören an der Universität. Bald indessen gab er es wieder auf und mühte sich, in ein Maleratelier einzutreten. Dies war aber in dem damaligen Berlin nicht leicht, weil sich zu jener Zeit nur wenige Malerprofessoren mit privater Ausbildung von Schülern beschäftigten, und diese wenigen sich meist nur dann dazu bereit zeigten, wenn der von ihnen Aufzunehmende schon vorher Schüler der Akademie gewesen war. Hierin lag die Hauptschwierigkeit für W. Gentz, weniger darin, daß es den damaligen Malern Berlins an Lehrfähigkeit oder wohl gar an Fähigkeiten überhaupt gefehlt hätte. Dies war nicht eigentlich der Fall, eine Versicherung, die mir eine willkommene Gelegenheit gibt, einen Blick auf die Berliner Kunstzustände der ersten vierziger Jahre zu werfen.
Augenblicklich herrscht eine starke Neigung vor, das damalige Berlin unter Friedrich Wilhelm IV. zu verkleinern, nicht bloß auf politischem, sondern auch auf literarischem und künstlerischem Gebiet. Es stand damit keineswegs so schlimm, wie die Verkleinerer wahr haben wollen, und was speziell die bildenden Künste betrifft, so bedarf es nur eines Durchblätterns alter Kataloge, um sich, ich will nicht sagen vom Gegenteil, aber doch von dem Übertriebenen in der gegenwärtig beliebten Geringschätzung damaliger Kunstleistungen zu überzeugen. An der Spitze – wenn auch längst aus der Zeit seines eigentlichen Schaffens heraus – stand kein Geringerer als der alte Schadow selbst, immer noch durch Blick und, wo ihn dieser im Stich ließ, durch künstlerischen Instinkt ausgezeichnet. Neben ihm Rauch. Beide, wenn auch zumeist nur auf ihrem eigensten Gebiete groß, hatten doch immerhin künstlerischen Allgemeineinfluß genug, um auch auf dem Schwestergebiete der Malerei Verirrungen zurückzudrängen und Nicht-Talente nicht überheblich werden zu lassen. Solche Nicht-Talente mochten viele da sein, aber neben ihnen auch Genies wie Franz Krüger (»der Paraden- oder Pferde-Krüger«) und Blechen, der große Landschafter, der Schöpfer des epochemachenden Bildes »Semnonenlager auf den Müggelbergen« – zwei Namen, die nur genannt zu werden brauchen, um das Maler-Berlin der vierziger Jahre nicht verächtlich erscheinen zu lassen. Und welcher Kreis Mitstrebender um sie her! In voller Kraft stand der ältere Meyerheim und entzückte nicht bloß Berlin, sondern die gesamte deutsche Kunstwelt durch Bilder, die Naturwahrheit und Anmut in sich vereinigten. Adolph Menzel, wenn auch erst ein »Werdender«, begann bereits eine Gemeinde leidenschaftlicher Anhänger
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