Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
Verwüstungen angerichtet. Gestern hat das Wetter sich aufgeklärt; am Nachmittag fuhren wir pirschen. Heute abend wird mich der Graf nach Kiel zurückfahren lassen, von wo ich um Mitternacht über Korsoer nach Kopenhagen gehe. Du sollst, so läßt Dir der Graf sagen, vor allem frisches Brot und ungekochte Milch vermeiden. Was machen die Kinder? Zeichnet Ismael? Hier ist paradiesische Ruhe, die Dir wohl mehr zusagen würde wie mir. Ich will nun mein viertes Bad nehmen; das nächste hoffentlich in Klampenborg.
    Wie immer Dein W. G.
     
    Nun folgen die von Stockholm datierten Briefe in rascher Reihenfolge, meist von Tag zu Tag.
     
    Stockholm, 5. August 1874
     
    In Schweden! Und es sieht just so aus wie bei uns. Die Reise gemacht zu haben, ist vor allem interessant darin, zu beobachten, wie wenig Unterschied zwischen hier und bei uns besteht. Als ich mein Zimmer im vierten Stock nach dem Hof, Hotel Rydberg (das erste Hotel hier) bezog, kam eine Krähe ans offene Fenster geflogen, und obgleich ich ihr nichts zu geben hatte, blieb sie sitzen und schalt gewaltig; sie ließ sich fast anfassen. Als ich das Zimmer verließ, packte ich alles vom Tisch, damit nicht im »Spuklande« (Dr. Arnsteins Ausdruck) etwas spukhafterweise verschwinden könne. Schwärme von Raben waren die einzigen Vögel, die ich von Malmö bis Stockholm sah. Als ich hier angekommen den Omnibus zum Hotel bestieg, sah ich den Baron Wahlberg, den ich zuletzt in Damaskus getroffen hatte; er erzählte mir in der Eile, daß er, wenn er zwanzigtausend Taler gehabt hätte, den Preußen in Sidon einen schlechten Streich gespielt haben würde, Preußen hat nämlich für diesen Preis die zerstörte Kathedrale in Sidon gekauft, die er hätte kaufen können, d.h. wenn er gewußt, daß man Friedrich Barbarossa wirklich dort hätte finden können. Nach seiner Behauptung nun wäre er gefunden; und so kann denn Bismarck sein Barbarossadrama noch prächtiger und unter direkter Anlehnung in Szene setzen. Meinen Freund Bocklund habe ich in der Akademie getroffen; er ist Direktor derselben geworden, ebenso Direktor des Museums, das übrigens genug des Interessanten bietet. – Es ist schauderhaftes Regenwetter. Da erscheint Stockholm nicht wie Neapel; Du weißt, man nennt es das Neapel, wie Kopenhagen das Venedig des Nordens.
    Der Graf Noer ließ mich Sonntagabend sehr schnell und bequem an den Kieler Landungsplatz fahren, läßt Dich grüßen und Dich einladen, dort zu baden. Es würde Dir zwar sehr gut, der Stille wegen, gefallen, ich habe ihm aber doch geantwortet, er solle erst uns mit seiner Frau einmal besuchen. In seiner Bibliothek steckt ein kleines Vermögen; er möchte gern, daß ich auf der Rückreise wieder mit herankäme und Virchow mitbrächte. Ich glaube nicht, daß dieser sich dazu bewegen lassen wird, obgleich Virchows Busenfreund, Professor Goldstücker, Sanskritist in London, dort war.
    Die Seereise habe ich vollständig verschlafen; ich kam um zehn Uhr an Bord, Ankunft in Malmö morgens zehneinhalb Uhr. In Kiel sah ich beim Soupieren Frau von Saldern mit ihren Kindern und einem fremden Herrn. Die Fahrt von Malmö bis Stockholm dauerte achtzehn Stunden. Gute Gesellschaft im Coupé. Ein belgischer Gesandter, ein Däne, dann Capellini, der Präsident des Kongresses in Bologna vor zwei Jahren, und noch ein anderer Italiener, – alles Kongressisten. Der Name Virchow wirkt hier wie ein Zaubername, selbst bei den Franzosen, die zwar – nachdem sie mich an der Sprache nicht als einen verhaßten Preußen erkannt hatten – in Schreck gerieten, als ich mich als einen solchen deklarierte, nach ihrem Schrecken jedoch mich gleich nach Virchow fragten.
    Die Hotels hier und in Kopenhagen sind überfüllt, auch alle Kommissionäre in Anspruch genommen, so daß ich wenig während meines bisherigen kurzen Aufenthaltes im Norden sehen konnte. Wie schön kam mir Kopenhagen vor so und so viel Jahren vor; der Mensch aber ändert sich mit den Zeiten. In der Nähe von Malmö sieht es aus wie bei Lichterfelde, denn viele Wiesen, Massen von Kühen und Pferden weiden auf ihnen; grau bleibt die Landschaft immer. Das ganze Land ist wie besäet mit erratischen Granitblöcken, je größer, je mehr man sich der Hauptstadt nähert. Die vielen Seen erscheinen blauer wie bei uns, Birken fast die durchgängige Vegetation, lila die Farbe der Wiesenblumen. Die Holzhäuser sind ganz rot angestrichen, die Leute sehr artig und honett, die Verpflegung auf den Eisenbahnhöfen idealisch. Man

Weitere Kostenlose Bücher