Wanderungen durch die Mark Brandenburg
einmal hilft.‹ Und er brachte ihm wirklich alte Kleidungsstücke, die der Gefangene bei Dunkelwerden anzog und in denen er gleich danach unter eine Bank kroch, um von den Aufpassern nicht erkannt zu werden. Da lag er denn in bittersten Ängsten die Nacht hindurch und nahm seine Zuflucht zum Gebet. ›Befiehl Du Deine Wege‹ sagte er in allen seinen Versen zu vielen Malen vor sich her, bis er Trost und Ruhe darin fand. Und endlich brach der ersehnte Morgen an. Da kam, samt anderen Leuten, auch der alte Mann wieder, mit zwei Töpfen in der Hand, als wenn er den Gefangenen etwas zu essen bringen wolle. Die Töpfe waren aber leer. Er gab sie nun dem umgekleideten Soldaten und dieser ging unerkannt zur Kirche hinaus. Erst acht Tage nach Ostern traf der auf diese Weise glücklich Entkommene wieder in Ruppin ein. Ein volles halbes Jahr war seit dem Kapitulationstage vergangen.«
Der Rest der Gefangenen passierte den Rhein und wurde zum größten Teil in und um Nancy interniert. Andere sahen sich bis in die Pyrenäen geschleppt, und da keine Nachrichten von ihnen eintrafen, schuf ihr Schicksal Sorge und Ungewißheit in vielen Herzen. Auch äußere Not blieb nicht aus, namentlich im Kreise der Offiziersfrauen, für die man in jenen Unglücksjahren weder Pensionen noch Unterstützungen hatte. Denn nicht einer jeden ward eine so wunderbare Hilfe zuteil, wie der Frau von der Recke, von der uns Heydemann erzählt. Der Gatte dieser, der sein Ehrenwort zu geben verweigert hatte, war gefangen auf eine der atlantischen Inseln abgeführt worden, und Frau von der Recke glaubte, daß er gefallen sei. Nur sein Handkoffer kam wie durch Zufall in ihre Hände; sie wagte jedoch nicht, ihn zu öffnen, weil sie nur Schmerz und Aufregung davon befürchtete. Ganz zuletzt erst, in immer wachsender Not, entschloß sie sich dazu, mutmaßlich um den Inhalt des Koffers zu Gelde zu machen. Aber welch Erstaunen, als sie, sorglich zwischen die Wäsche gepackt, 50 Friedrichsd'or entdeckte, die Herr von der Recke von seinem Ersparten da hineinlegt hatte. Das half über die Not vieler Monate hinweg, und endlich traf auch ein Brief ein, der Auskunft über das Schicksal des schon Totgeglaubten gab.
Anno 1809 erst kehrten die Gefangenen in ihre heimische Grafschaft zurück. Alle, die noch fähig waren, Waffen zu tragen, traten wieder ein; aber es geschah in neugebildete Regimenter. Das Regiment Prinz Ferdinand war hinüber, und endlich schien selbst die Erinnerung daran erloschen.
Da noch einmal wurde diese wieder wach.
Es war im Mai 1866, die Glocken gingen, und alle die, die's noch nicht wußten, erfuhren auf ihre Frage, daß die alte Frau von Hagen heute begraben werde. Sie war dreiundachtzig. Am 31. August 1806 war der Hauptmann von Hagen (erst seit wenig Wochen vermählt) mit dem Regimente Prinz Ferdinand ausgezogen, und hatte von seinem ersten Marschquartier Fehrbellin aus eine noch verspätet im Superintendentengarten blühende Rose als letzten Liebesgruß an seine Gattin geschickt. Seitdem kein Wort, keine Zeile mehr, denn Hauptmann von Hagen war mit unter denen, die den Tag von Auerstedt nicht überlebten und am Abend, still für immer, am Dorfrande von Hassenhausen lagen.
Die Rose, sein einzig Vermächtnis, hatte ein treues Herz durchs Leben hin begleitet; jetzt war auch dieses still, und über beiden wölbte sich das Grab.
Das war die letzte Erinnerung an das Regiment Prinz Ferdinand.
Regiment Mecklenburg-Schwerin Nr. 24
Sei ruhig, bin in Gottes Hut,
Er liebt ein treu Soldatenblut.
Das jetzige Ruppiner Regiment Nr. 24, das während der Befreiungskriege den Namen: »12. Reserve-Infanterie-Regiment« führte (erst im Mai 1815 erhielt es die Nummer 24), wurde während der Waffenstillstandswochen von 1813 aus drei Reservebataillonen errichtet, und zwar aus dem
4. Reservebataillon des Leib-Infanterieregiments, Major von Herrmann,
4. Reservebataillon des 2. Westpreuß. Infanterieregiments, Major von Laurens,
7. Reservebataillon, Major von Zepelin.
In dieser Reihenfolge bildeten sie das 1., 2. und 3. Bataillon des neuerrichteten Regiments, zu dessen Kommandeur der Major von der Goltz ernannt wurde. Das Regiment kam zum Yorkschen Korps, und zwar zur 8. Brigade Hünerbein, die sich aus dem brandenburgischen Infanterieregiment (jetzt Grenadierregiment Nr. 12), aus dem 14. schlesischen Landwehrregiment und unserem 12. Reserve-Infanterieregiment zusammensetzte.
Am 3. August, Königs Geburtstag, wurden alle drei Bataillone zum
Weitere Kostenlose Bücher