Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 8 Bde., Bd.1, Die Grafschaft Ruppin
seine Aufmerksamkeit schenkte. Am 18. in Edfu. Dann, während der ganzen Weihnachtswoche, abermals in Karnak und Luxor, die jetzt beide mit aller Gründlichkeit von ihm durchforscht wurden, bis er am 1. Januar in Dendare und am 8. in Kairo eintraf, das, trotz der Fülle des auf seiner Nilfahrt Gesehenen, den alten Zauber auf ihn ausübte. Noch etwa sechs Wochen blieb er daselbst; dann, Ende Februar, brach er auf und verbrachte den März auf einer Wanderung durch Palästina, Syrien, Kleinasien. In Smyrna lernte er den Prinzen Friedrich von Schleswig-Holstein 1) kennen, mit dem er, von jener Zeit an, bis zum Tode desselben, in freundschaftlichem Verkehr blieb, nachdem er ihn noch im Jahre 1874 auf seinem Schlosse Noer, in der Nähe von Eckernförde, besucht hatte.
Anfang April war W. Gentz in Konstantinopel und Ende desselben Monats in Korfu. Von da ging er, über Pest und Wien, ins elterliche Haus zurück, an das er, all die Zeit über, zahlreiche Briefe gerichtet hatte. Daheim nahm er seine malerische Tätigkeit rasch wieder auf, und nachdem er, durch Jahr und Tag hin, nur gezeichnet und skizziert hatte, ging er jetzt mit doppelter Lust an ein großes Bild: »Der Sklavenmarkt in Kairo«, das das Jahr darauf in Berlin ausgestellt wurde.
Zu gleicher Zeit beschäftigte ihn die Herausgabe seiner, von Ägypten her, an die Eltern gerichteten Briefe, und zu Weihnachten 1852 erschienen denn auch »Briefe aus Ägypten und Nubien« – Verlag von Carl Barthol in Berlin –, ein vorzügliches Buch, das durch all das, was seitdem an Reiseliteratur über Ägypten erschienen ist, von seiner Bedeutung wenig und von seinem Reize nichts verloren hat. Dieser Reiz besteht zum Teil in dem, was ich schon wiederholentlich als »Gentzsche Vortragsweise« bezeichnet habe, noch mehr aber in jener ein gutes Wissen und einen freien Blick zur Voraussetzung habenden Fähigkeit, die großen Erscheinungen der Kunst, der Geschichte, des Lebens überhaupt, in ihrem Zusammenhange zu begreifen. Zum Beweise dessen mag es mir gestattet sein, aus dem an Anschauungen und Betrachtungen gleich reichen Buche wenigstens eine Stelle hier zitieren zu dürfen. So heißt es aus Dendare am 1. Januar 1851: »Wie Ägypten selbst als ein eigentümlicher, nur aus sich selbst verständlicher Organismus anzusehen ist, so prägen auch die ägyptischen Kunstwerke: ganze Ortschaften mit Tempeln, Obelisken, Grabdenkmälern, Sphinxalleen, eine in sich einige Totalität aus, welche der hierarchischen Gliederung und Ordnung des Lebens entspricht. Nur von diesem Gesichtspunkte aus wird die Kunst jener zurückliegenden Jahrtausende verständlich. Das einzelne, und wäre es der kolossalste Obelisk, kann für sich allein keine Vorstellung von der Großartigkeit altägyptischer Kunstintentionen geben – in dem Reichtum von Bauwerken, mit denen ein solcher Einzelobelisk zu einem Ganzen verbunden war, war er nichts als eine verschwindende Größe. Nur wer die verbliebenen Baureste im großen und ganzen übersieht, vermag einigermaßen zu würdigen, welche Großartigkeit künstlerischer Unternehmungen in diesem Lande heimisch war, hier, wo jetzt die Trägheit einer Sklavenbevölkerung nichts ahnt von jenem gewaltigen Geist, an dessen ewigen Monumenten sie gleichgiltig vorbeizieht. Unsere moderne Welt«, so fährt Gentz in demselben Briefe fort, »hat, nach dem Untergange des griechischen Lebens, die Künste voneinander separiert . Bei der weltfeindlichen Tendenz der katholischen Kirche konnte, zunächst wenigstens, im frühern Mittelalter kein großartiges Kunstleben erwachen; der gotische Kirchenbau vereinigte später zwar mehrere Künste von neuem, aber doch immer nur in einer den höchsten Aufgaben der Kunst widerstreitenden Begrenzung, da der durch das Transzendentale bestimmte Charakter der Gotik sich nicht bemüßigt sehen konnte, die schöne Erscheinung festzuhalten. Nur das geistige und körperliche Leiden kommt in den alten Heiligenbildern zur Darstellung. Als dann aber später (in Raffael und anderen) die Malerei sich anließ, mit ihren unerreichten geistig und sinnlich schönen Madonnenbildern die Basiliken Roms zu schmücken, war sie ebenso weit über das eigentliche christlich mittelalterliche Kirchenwesen hinaus, wie die liberalen, in sinnlicher Üppigkeit dahinlebenden Päpste, Julius II. und Leo X., die Zeit der Askese hinter sich hatten.«
Bald nach Erscheinen der ägyptischen Briefe kehrte W. Gentz von Ruppin beziehungsweise Berlin nach Paris zurück,
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