Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 8 Bde., Bd.1, Die Grafschaft Ruppin
fürlieb... Nachdem wir im Kongreß, durch die Steinzeit hindurch, bei der Bronzezeit angelangt sind, will ich nun auch die Eisenzeit mit durchmachen. Eigentlich wollte ich übermorgen abreisen. Morgen holt der König uns auf vielen kleinen Dampfschiffen ab, um mit uns erst nach der Insel Björkö und dann nach Schloß Gripsholm zu fahren. Am Sonnabend, so heißt es, würde er uns nach Schloß Kroningsholm, dem Versailles von Stockholm, zum Abendtisch einladen. Geschieht das, so werde ich erst Sonntag abend abreisen können. Heute morgen waren der König und die Königin wieder in der Sitzung. Virchow führte gerade den Vorsitz und hatte sie zu begrüßen. Ich war wieder ganz vorn placiert. Die Königin hat einen klugen Ausdruck. Heute über Mittag habe ich nochmals die Museen durchlaufen. Zu Abend habe ich von Bocklund, Direktor der Akademie, eine Einladung erhalten. Konzerte hört man hier täglich wenigstens dreimal. Originelles zu kaufen aber gibt es hier nicht, mit Ausnahme norwegischer Schmucksachen, die zu teuer sind. Seine kulinarischen Kenntnisse kann man hier durch allerlei Fischarten, Rentierschinken usw. bereichern. Während der Eisenbahnfahrt setzte sich gestern auf den Waggon, in dem ich saß, eine Krähe, die sich gegen den Stock eines Herrn, der sie necken wollte, wehrte. Alle Fremden, zumal auch Deutsche, sind von Stockholm entzückt; sie kennen aber meistenteils den Süden nicht. In Florenz oder Rom findet man doch anderes und im ganzen genommen Erbaulicheres und Belehrenderes. Die Menschen scheinen hier freilich sehr brav zu sein; von Bettelei merkt man nichts. Geh nur immer nach Swinemünde. Der Unterschied von anderen Seebädern scheint mir wirklich gering zu sein. Lebe wohl. W. G.
Stockholm, 14. August 1874
Gestern war ein anstrengender Tag. Kaltes Wetter, Regen, abends wieder heiterer Himmel. Um neun Uhr morgens holte der König in vier Dampfschiffen den Kongreß ab; drei Stunden dauerte die Fahrt auf dem Mälarsee bis nach Björkö, wo die Ausgrabungen der vor etwa 1 000 Jahren verschwundenen Stadt stattfanden. In den Laufgräben, die gezogen waren, um die Ausgrabungsschichten näher betrachten zu können, sammelten die Fachleute unzählige Knochen; einige waren auch so glücklich, solche zu finden, in die Runen eingraviert waren. Der König amüsierte sich, immer voran in die Gräben zu klettern und den ihm zunächst Stehenden »prähistorische Beefsteaks«, wie er sich ausdrückte, zu reichen. Das Frühstück wurde verabreicht auf dem höchsten Granitplateau, wo ein Kreuz errichtet stand, zum Andenken an den heiligen Ansgar, der in Schweden hier zuerst das Christentum predigte. Unzählige Landleute waren von den anliegenden Inseln herbeigekommen. Von allen Landsitzen, wo wir vorüberfuhren, Kanonenschüsse; abends bei der Rückkehr waren alle Fenster, selbst die kleiner Hütten, erleuchtet; Raketen stiegen in die Luft, manche Schlösser standen in rot und grünem bengalischen Feuer, dazu der weiße Rauch der Kanonenschüsse zwischen dem dunkelgrünen Laub der einsamen Wälder – alles erhöhte die Stimmung der in schwedischem Punsch schwelgenden Gesellschaft. Das Hurrarufen, das Tücherschwenken endete erst bei der Rückkehr abends zehn Uhr in Stockholm. Von Björkö bis Gripsholm war auch noch eine Tour von anderthalb Stunden. Im Park desselben ward wieder ein großartiges Diner eingenommen, während ein Regenschauer in aller Gemütlichkeit die Tische und Gäste überfiel. Das Schloß ward besehen: große historische Portraitgalerie.
Aus der Gesellschaft von Bocklund kam ich erst um ein Uhr nachts nach Hause. Von sieben Uhr an bis ein Uhr nur gegessen und getrunken in allen möglichen Formen. Bocklunds Frau eine sehr schöne Frau; die sieben Kinder reizend. Der Junge, in Ismaels Alter, heißt Iwar, das Mirjam entsprechende Mädchen Isarja; sie ist sehr lebhaft und graziös. Die Kinder wurden alle in einer Reihe aufgestellt und mußten den Gästen ein schwedisches Hurra, schwedisch »rha, rha, rha«, bringen, was sehr reizend war. Isabella, Blenda, Harold usw. heißen die andern.
Heute das Skandinavische Museum besucht; das wäre was für die Kinder. In Wachs nachgebildete Lappen auf Rentierschlitten, ausgestopfte Rentiere, die dazu gehörige Eis- und Schneelandschaft an die Wände gemalt; ganze Stuben mit Menschen und Gerätschaften hierher geschafft. Dalekarlierinnen in Nationaltracht zeigten uns diese Merkwürdigkeiten.
Morgen sind wir zum König geladen; abends sieben Uhr.
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