Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 8 Bde., Bd.1, Die Grafschaft Ruppin
Heute will ich noch nach Ulriksdal. Leb wohl. W. G.
Stockholm, 16. August 1874
Mein Koffer ist gepackt; in einer Stunde werde ich abreisen. Die Coupés werden sehr besetzt sein, doch reisen einige nach andern Richtungen, so Hartmann und Mannhardt nach Norwegen, Virchow nach Finnland. Soeben besah ich noch die Hammersche Sammlung in der Stadt; sie ist größer als unser Gewerbemuseum. In Ulriksdal waren prachtvoll geschnitzte Möbel und Porzellansachen (die schönsten, die ich gesehen) und einige Bilder zu bewundern. Das Fest, das uns gestern abend der König auf Schloß Kroningsholm gab, war außerordentlich schön. Schlimm fing es freilich an: bei strömendem Regen war nur mit größter Mühe eine Droschke bis zum Dampfschiff zu bekommen. Vier Dampfer hatte der König geschickt; der meinige hieß »Garibaldi«. Mit Regenschirmen gingen wir ins Schloß, am Portal von schmetternder Musik empfangen. Bei prachtvoller Illumination war der Aufgang, die Treppen hinauf, sehr großartig. Durch alle Zimmer des oberen Stockwerks, mit Bildern, Gobelins und andern Kostbarkeiten geschmückt, ging's bis in den großen Empfangssaal, wo alle Monarchen Europas abgebildet hingen. Ich gehörte zu den zuerst Angekommenen, so daß ich mich in die Nähe der schönsten schwedischen Damenwelt placieren konnte. Der König (in Zivil) hielt dann mit der Königin und der Königinwitwe seinen Einzug. Letztere war mit Diamanten förmlich überdeckt, eine alte Dame, die sich die größte Mühe gab, ganz besonders liebenswürdig zu erscheinen. Sie kam, da ich so günstig placiert war, gerade auf mich zu und sprach französisch mit mir. Als sie aber erfahren, daß ich aus Berlin sei, sagte sie: »Da können wir ja deutsch sprechen.« Die Königin hatte die schönste Toilette und sah sehr gut aus: gelbe Robe mit blauen Aufschlägen (die schwedischen Farben). Sie trug einen enormen Diamant auf der Brust und Diamantsterne im Haar. Etwa eine Stunde dauerte die Unterhaltung, bei der natürlich die mit Sternen Übersäten am meisten bedacht wurden. Mit Virchow unterhielt sich die Königin besonders lange. Dann wurden wir ins Erdgeschoß geführt, der König mit der Königinwitwe voran. Da waren alle Zimmer, eine unabsehbare Reihe, mit den schönsten Speisen und Getränken besetzt. Vor allein auch Eis, was not tat. Die höchsten Herrschaften blieben, auch während des Essens, mit ihren Gästen zusammen, und die Unterhaltung setzte sich fort. Als wir aufbrachen, hatte sich das Wetter aufgeklärt, und es bot sich uns ein zauberhaftes Schauspiel. Die Brücken über den Mälar waren erleuchtet, und die langen Feuerlinien spiegelten sich in dem dunklen Wasser; der Dampf der Schornsteine unserer Schiffe wurde von den Flammen mit erhellt, schwedische Nationallieder erklangen, und die Böller- und Kanonenschüsse endeten erst in Stockholm, wo wir um Mitternacht ankamen. Raketen, Feuerräder und Leuchtkugeln hatten uns derartig umzischt und umknattert, daß wir mehr als einmal fürchteten, auf unserem Schiffe könne ein Unglück geschehen. Jedenfalls sahen wir, wie Raketen in kleine Boote fielen, so daß die Leute Mühe hatten, ihre Kleider zu löschen. Unter grün- und rotbengalischem Licht, in dem alle Villen erstrahlten, kehrten wir nach Stockholm zurück. Auf baldiges Wiedersehn. Dein W. G.
So W. Gentz' Stockholmer Briefe, woran ich, eh ich in einem Schlußkapitel in seiner Biographie fortfahre, die Mitteilung knüpfen möchte, daß sich Briefe verwandter Art in großer Zahl im Gentzschen Hause vorfinden. Der Gang seines Lebens bedingte dies. Alljährlich auf langen Reisen abwesend und immer in herzlichem Verkehr, erst mit dem elterlichen Hause, dann mit der eigenen Familie, mußten sich solche Briefschätze wie von selber zusammenfinden. Über den größeren oder geringeren Wert der einen oder anderen Gruppe habe ich kein Urteil, doch schienen mir diese aus weniger bereisten Gegenden stammenden Nordlandsbriefe vor anderen den Vorzug zu verdienen.
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»Des deutschen Kronprinzen Einzug in Jerusalem«.
Hildebrandtstraße 5. W. Gentz als Mensch und Künstler
(Von 1874 bis 1890)
Sommer 1874 machte W. Gentz, wie wir in unserem vorigen Kapitel unter gleichzeitiger Mitteilung einer ganzen Anzahl an seine Frau gerichteter Briefe mitteilen durften, seine Stockholmer Reise, der ein kurzer Aufenthalt in Heringsdorf folgte. Zu Beginn des Herbstes war er in Berlin zurück und nahm hier die große Arbeit wieder auf, der er schon seit Jahr und Tag in
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