Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 8 Bde., Bd.1, Die Grafschaft Ruppin
erster Reihe seine Kräfte widmete: »Des deutschen Kronprinzen Einzug in Jerusalem«. Er beendete dies Bild 1876, in welchem Jahre es auf der Berliner Ausstellung erschien und die große goldene Medaille erhielt. Es ist jetzt eine Zierde der Nationalgalerie und sowohl um seines Stoffes wie um seiner künstlerischen Vorzüge willen der Aufmerksamkeit jedes Besuchers sicher. Auch ich, wenn ich desselben ansichtig werde, werde von der poetischen Schönheit des zur Darstellung gebrachten Momentes: des Einziehens unter Palmen, jedesmal ergriffen, kann dies Bild aber, sosehr ich es schätze, doch nicht zu W. Gentz' vorzüglichsten oder, vielleicht richtiger, nicht zu den mir sympathischen Arbeiten zählen. Mir persönlich ist er als afrikanischer Landschafter am liebsten, und diejenigen seiner Bilder, die sich damit begnügen, in wunderbarem Gegensatze die Sterilität und zugleich die schöpferische Fülle der Tropengegend wiederzugeben, also Wüsten- und Wasserflächen, übervölkert von Flamingos und anderem weißgefiederten Volk, entzücken mich mehr, ja fast möchte ich sagen, heimeln mich mehr an. Seine Knabenwanderungen im Wustrauer Luch und am Molchow-See, die von frühan sein Auge schärften, haben ihn durch sein ganzes Leben hin das am tiefsten und eigenartigsten erfassen lassen, was ihn schon als Kind am tiefsten in seiner Künstlerseele berührte: melancholische Flächen und schwermutsvolle Stille.
Herbst 1876 also erschien das Einzugsbild. In der Zeit, die seitdem vergangen ist, schuf er unverändert weiter, und kein Jahr verging, ohne daß sein Talent und seine Schaffenslust sich nicht neu betätigt hätten. Aus dieser Fülle, die hinter der Epoche von 1857 bis 1874 nicht zurückbleibt, sei hier nur einiger weniger Bilder erwähnt: ein Harem auf Reisen, Supraporte für das Pringsheimsche Haus; eine Koran-Vorlesung; ein Sonnenstreifen (Straße in Algier); Mirjam am Quell als Illustration zu Ebers' »Homo sum«; Marabustorch und Flamingos; Abend am Nil; Mameluckengräber bei Kairo; koptische Christen in den ersten Jahrhunderten; und eine große Zahl von Portraits, besonders Negerköpfe. Dazu gesellt sich eine lange Reihe von Illustrationen, unter denen die zu Georg Ebers' großem Werk: »Ägypten in Wort und Bild« in erster Reihe stehen. Es sind (fünfundvierzig an der Zahl) fertige Feder- und Tuschzeichnungen, die auf Holz photographiert und dann geschnitten wurden.
Alle diese vorstehend aufgezählten Bilder entstanden in dem der Künstlerwelt wohlbekannten Hildebrandtstraßen-Hause, das, wie schon hervorgehoben, im Jahre 1869 von W. Gentz erworben und, um sein eigenes Wort noch einmal zu zitieren, »orientalisiert« wurde.
Diesem Hause wenden wir uns jetzt zu. Es besteht aus einem Souterrain, einem Erdgeschoß und einem ersten Stock; im Souterrain befinden sich die Wirtschaftsräume, im ersten Stock die Ateliers von Vater und Sohn, im Erdgeschoß die Familien- und Repräsentationszimmer, vier oder fünf an der Zahl, die völlig eigenartig wirken und in ihrer Mischung von Berliner Nähtisch und ägyptischem Fetisch, von Ramses und Christian Friedrich Gentz, kairensischen Teppichen und Ahornpaneelen aus der Berliner Glanzzeit der Jenny Lind nirgend ihresgleichen haben, auch in den maurischen Häusern nicht, deren wir vielleicht einige, jedenfalls aber eins in unserer Stadt besitzen: das Diebitschsche Haus am Hafenplatz. Denn all das bisher in wohlüberlegter Gegensätzlichkeit Aufgezählte gibt nur eine schwache Vorstellung von dem, was sich an aparten und untereinander in einer Art Fehde stehenden Dingen hier alles zusammenfindet, Dinge, die berufen scheinen, ein Fünf-Weltteile-Rendezvous und dabei zugleich das bunte, reiche Leben zu veranschaulichen, das der Besitzer aller dieser Herrlichkeiten führen durfte. Was von dem Grund und Boden unserer Hauptstadt gesagt worden ist, »jeder Quadratmeter bedeute schon ein Vermögen«, das gilt fast auch von den Wänden dieser W. Gentzschen Wohnung, und »gekeilt in drangvoll fürchterliche Enge« haben wir hier die bei den verschiedensten Gelegenheiten, als Erinnerungsblätter, an W. Gentz überreichten Skizzen aller möglichen Malerberühmtheiten zusammen. Ich kenne, soweit Berlin in Frage kommt, keinen Privatmann, dessen Wohnung angetan wäre, mit der hier vorhandenen Bilderfülle zu wetteifern, und wenn beispielsweise das an den Wänden der Menzelschen Wohnung Aufgespeicherte, schon weil sich viele »Menzels« darunter befinden, unendlich wertvoller
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