Wanderungen Durch Die Mark Brandenburg: Band 3, Havelland
Wie ein Traum lag es hinter ihm.
Um diese Zeit (1842) war der jüngere Bischofswerder Oberstlieutenant; sechs Jahre später war er Oberst und Kommandeur der Gardekürassiere. Als solcher hielt er, am 18. März, mit seinem Regiment auf dem Schloßplatz. Während des mittägigen Tumults, in dem Moment, als die historischen drei Schüsse fielen, ließ er einhauen. Er tat, was ihn Rechtens dünkte. Die Wochen aber, die jenem Tage folgten, waren solcher Anschauung nicht günstig, die Verhältnisse erheischten eine Remedur, ein Désaveu, und die Versetzung Bischofswerders nach Breslau wurde ausgesprochen. Er erhielt bald darauf, unter Verbleib in der schlesischen Hauptstadt, eine Brigade.
Aber auch hier in Breslau zog bald eine Trübung herauf; unglücklich-glückliche Tage brachen an. Seine Huldigungen, die er ritterlich-galant einer schönen Frau darbrachte, führten zu Konflikten, und da Namen und Familien hineinspielten, die dem Herzen Friedrich Wilhelms IV. teuer waren, so bereitete sich ein Allerschmerzlichstes für ihn vor: er mußte den Abschied nehmen. Aufs höchste verstimmt, gedemütigt, zog er sich 1853 nach Marquardt zurück. Das Bild der Frau, die er gefeiert, begleitete ihn in seine Einsamkeit.
Sehr bald nach diesen Vorgängen war es, daß ihn die Herausgabe einer Biographie seines Vaters beschäftigte. Das vielfach verkannte Andenken des letztern schien eine solche Wiederherstellung von ihm zu fordern. Wie dabei vorzugehen sei, darüber hatte er zunächst nur unbestimmte Ideen. Er selber fühlte sich der Aufgabe nicht gewachsen, auch nicht unbefangen genug; aber eines wenigstens lag innerhalb des Bereichs seiner Kräfte: er begann das im ganzen Hause zerstreute Material zu sammeln . Es war im höchsten Maße umfangreich und bestand im bunten Durcheinander aus Cabinetsordres aller Könige seit Friedrich Wilhelm II. und aus unzähligen Briefen (meist in französischer Sprache), die zum Teil staatlich-politische Verhältnisse, zum Teil Verhältnisse von privater und sehr intimer Natur berührten – wahrscheinlich der Briefwechsel zwischen dem Günstling-General und der »Gräfin« aus den Jahren her, die ihrer Vermählung unmittelbar vorausgingen. Die mit Wöllner gewechselten Briefe waren deutsch geschrieben und bezogen sich zumeist auf das Preß- und das Religionsedikt. Seltsamerweise machte man eine Tonne zum Archiv; in diese wurde alles, vorläufig ungeordnet, hineingetan.
Dies reiche Material sollte aber nie zur Bearbeitung kommen. Die Verstimmung des Generals wuchs, dazu beschlich ihn die Vorahnung seines herannahenden Todes. Wir finden darüber unter den Aufzeichnungen eines Mannes, der ihm während der letzten Lebensjahre nahestand, das Folgende:
»1857 feierte Bischofswerder seinen zweiundsechzigsten Geburtstag. Meine Frau und ich waren geladen. Gegen Ende des Mahls, als wir seine Gesundheit in gutem ›Cliquot veuve‹ getrunken hatten, nahm er mich beiseite, küßte mich, bedankte sich für alle Liebe, die ich ihm und seiner Familie so viele Jahre lang bewiesen hätte, und sagte dann: ›Sie haben heute mit mir das letzte Glas Champagner getrunken; ich werde in dieser Welt keinen Geburtstag mehr feiern. Mein Großvater ist im dreiundsechzigsten Jahre gestorben, mein Vater auch, und ich werde ebenfalls im dreiundsechzigsten Jahre sterben. Gehen Sie übers Jahr auf unsern Kirchhof und beten Sie an meinem Grabe für meine arme Seele.‹«
Und so geschah es. Als sein dreiundsechzigster Geburtstag kam, war er hinüber. Nicht in der Gartengruft, auch nicht in der Gruft unterm Altar, sondern auf dem kleinen Friedhofe, der die Kirche einfaßt, ward er begraben. Zu Häupten des efeuumzogenen, von einer Esche beschatteten Hügels wurde ein Kreuz errichtet, das die Inschrift trägt: »Hier ruht in Gott der königliche Generallieutenant Hans Rudolf Wilhelm Ferdinand von Bischofswerder, geboren am 9. Juli 1795, gestorben am 24. Mai 1858«; auf der Rückseite des Kreuzes aber stehen die Worte: »Der letzte seines Namens.«
----
._.
----
Marquardt seit 1858
Der letzte Bischofswerder hatte seine Ruhestatt gefunden. Nur zwei Töchter verblieben. Die ältere, Pauline von Bischofswerder, der Liebling des Vaters, vermählte sich mit Herrn von Damnitz, der nun, sei es durch Kauf, sei es durch Erbschaft, auf kurze Zeit in den Besitz von Marquardt gelangte. Im ganzen nur auf zwei Jahre. Aber diese zwei Jahre schnitten tief ein. Herr von Damnitz, so wird erzählt, voll Anhänglichkeit gegen das
Weitere Kostenlose Bücher