Wanderungen Durch Die Mark Brandenburg: Band 3, Havelland
wurd es still. Sie ahnte damals nicht, daß sie im Glauben des Volkes, im Geplauder der Spinnstuben diesen Spuk einst ablösen würde.
Die Franzosenzeit war vorüber, der Siegeswagen stand wieder auf dem Brandenburger Tor, die Kinder des Marquardter Herrenhauses blühten auf; die »Gräfin«, noch immer eine stattliche Frau, war nun sechzig. Die Jugend der Kinder gab dem Hause neuen Reiz; es waren seit lange wieder Tage glücklichen Familienlebens, und dies Glück wuchs mit der Verheiratung der Töchter. Die älteste, Luitgarde, vermählte sich mit einem Hauptmann von Witzleben (später General), der damals eine Compagnie vom Kaiser-Franz-Regiment führte. Die zweite, Blanka, geboren 1797, von der die »Gräfin« mit mütterlichem Stolz zu sagen pflegte:
Meine Blanka, blink und blank,
Ist die Schönst' im ganzen Land,
wurde die Gattin eines Herrn von Maltzahn; die jüngste, Bertha, geboren 1799, gab ihre Hand einem Herrn von Ostau, damals Rittmeister im Regiment Garde du Corps. Tage ungetrübten Glückes schienen angebrochen zu sein, aber nicht auf lange. Die beiden jüngeren Töchter starben bald nach ihrer Verheiratung, innerhalb Jahresfrist. Dem Tode der schönen Blanka ging ein poetisch-rührender Zug vorauf. Sie lag krank auf ihrem Lager. Da meldete der Diener, daß das »Kreuz« aus Potsdam angekommen sei. Die junge schöne Frau hatte wenige Tage zuvor ein Kreuz, das sie auf der Brust zu tragen pflegte, einer Reparatur halber nach Potsdam hinein geschickt, und sie bat jetzt, ihr das Andenken, das ihr schon gefehlt hatte, zu zeigen. Da trug man ihr ein Grabkreuz ans Bett, das von der alten Gräfin, anstelle der Urne, für die große Gartengruft bestellt worden war. Sie wußte nun, daß sie sterben würde. Schon ein Jahr vorher war die jüngere Schwester, Frau von Ostau 2) , gestorben. Beide wurden in der Marquardter Kirche beigesetzt.
Die Jahre des Entsagens, der Erkenntnis von den Eitelkeiten der Welt, waren nun auch für das stolze Herz der »Gräfin« angebrochen. Sie zog sich mehr und mehr aus dem Leben zurück; nur die Interessen der kleinen Leute um sie her und die großen Interessen der Kirche kümmerten sie noch; im allgemeinen verharrte sie in Herbheit und Habsucht. So kam ihr Ende. Sie starb, sechsundsiebzig Jahre alt, am 3. November 1833, im Hause der einzigen sie überlebenden Tochter, der (damaligen) Frau Oberst von Witzleben, zu Potsdam und wurde am 6. November zu Marquardt, an der Seite ihres Gemahles, beigesetzt. Die Rundgruft im Park schloß sich zum zweiten Mal.
Die Rundgruft im Park schloß sich zum zweiten Mal; aber die »Gräfin«, wie man sich im Dorfe erzählt, kann nicht Ruhe finden. Oft in Nächten ist sie auf. Sie kann von Haus und Besitz nicht lassen. Sie geht um. Aber es ist, als ob ihr Schatten allmählich schwände. Noch vor zwanzig Jahren wurde sie gesehen , in schwarzer Robe, das Gesicht abgewandt; jetzt hören die Bewohner des Hauses sie nur noch. Wie auf großen Socken schlurrt es durch alle unteren Räume; man hört die Türen gehn; dann alles still. Einige sagen, es bedeute Trauer im Hause; aber das Haus ist nicht Bischofswerdersch mehr, und so mögen die recht haben, die da sagen: sie »revidiert«, sie kann nicht los.
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Es waren dies zwei Töchter. Die eine, Karoline Erdmute Christiane, blieb unverheiratet und starb 1842. Über ihr Begräbnis in Marquardt berichten wir an anderer Stelle ausführlich. Die andere vermählte sich schon 1794 oder 1795 mit dem jungen Grafen Gurowski, dem Besitzer der Starostei Kolo. Die »Vertrauten Briefe« sagen von ihm: »Er war ein junger Krüppel mit einem kurzen Beine, sonst ein Ungetüm und unter den jungen Polen der verdorbenste. Ein Libertin, auf der untersten Stufe des Zynismus. Wenige Wochen nach der Heirat kam es zur Scheidung: er nahm dann teil an der Insurrektion und trat später das schöne Gut Murowanna Goßlin an seine geschiedene Frau ab.« Über die weiteren Schicksale dieser verlautet nichts. – Beide Fräulein von Bischofswerder waren übrigens sehr liebenswürdig, von feiner Bildung und Sitte. Nichts war unwahrer und bösartiger als eine Schilderung derselben in den mehrgenannten »Anmerkungen« zu den »Geheimen Briefen«, worin es heißt: »Les demoiselles Bischofswerder sont deux petites filles mal élevées. L'aînée a dans ses yeux le flambeau de l'hymen. On les dit intrigantes. A propos jaloux. Au reste il faut distinguer les ridicules des vices et dire que jusqu'ici la conduite de ces demoiselles est
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