Wann tranken die Türken ihren Kaffee vor Wien?: Weltgeschichte - alles, was man wissen muss (German Edition)
Rekruten. Offiziere mussten sich nun für ihre Laufbahn fachlich qualifizieren, was in dem Adelsheer bisherigen Zuschnitts keineswegs selbstverständlich gewesen war.
Auch in anderen deutschen Staaten wurden Reformen durchgeführt. In Bayern schuf Graf Montgelas (1759–1838) ein modernes Beamtenrecht, stellte Protestanten und Katholiken gleich und verbesserte die Stellung der Juden.Bayern erhielt 1808 eine erste Verfassung und 1813 ein ultramodernes, von Anselm Feuerbach entworfenes Strafgesetzbuch einschließlich Abschaffung der Folter. Das Großherzogtum Baden hatte seit 1818 eine sehr liberale Verfassung, ebenso das Königreich Württemberg.
1815
DER KONGRESS TANZT Führender Kopf der Restauration in der nachnapoleonischen Zeit war der österreichische Außenminister Fürst von Metternich (1773–1859). Metternich leitete die bedeutendste europäische Gipfelkonferenz, die es je gab. Staatsoberhäupter und hochkarätige Gesandte (Außenminister) aus Dutzenden europäischer Staaten waren vertreten. Da sich die Verhandlungen hinzogen, bemerkte der belgische Diplomat de Ligne: Le congrès danse beaucoup, mais il ne marche pas. »Auf dem Kongress wird viel getanzt, aber man kommt nicht voran.« Der Kongress tanzte oder tagte von September 1814 bis Juni 1815.
Politisch ging es teils um eine Wiederherstellung Europas vor Napoleon, teils um eine Neuordnung unter Wahrung des Gleichgewichts der Mächte. Frankreich konnte dank der geschickten Diplomatie Talleyrands seine Grenzen von 1789 wahren, Österreich erhielt große Gebiete in Norditalien. Bayern, das durch Napoleon um Franken sehr stark vergrößert worden war, verlor Salzburg und das bis zum Gardasee reichende Tirol an Österreich. Die wichtigste Folge des Wiener Kongresses für Deutschland insgesamt war die Gründung des Deutschen Bundes. Dieser eher lose Staatenbund war der Nachfolger des untergegangenen Reiches. Sitz des Bundestags war die damals immer noch Freie Reichsstadt Frankfurt. Tagungsort war dort das Palais Thurn und Taxis.
1817
EINIGKEIT UND RECHT UND FREIHEIT Die Restauration der Monarchien war nicht das, was sich die national und liberal gesinnten Anhänger der Befreiungsbewegung in Deutschland erhofft hatten. Ihnen war die deutsche Kleinstaaterei ein Gräuel – sie wollten »Einigkeit und Recht und Freiheit« für das deutsche Vaterland, wie Hoffmann von Fallersleben (1798–1874) auf Helgoland 1841 in seinem Lied der Deutschen dichtete. Die junge Burschenschafter-Generation artikulierte auf dem Wartburgfest 1817 gleichzeitig mit dem Wunsch nach einem Zusammenschluss zu einem Nationalstaat den nach einer Verfassung. Nach dem Vorbild der Französischen Revolution verlangten sie die Gleichstellung aller Bürger, Freiheitsrechte, Abschaffung der Zensur und der Rechtswillkür. Als Symbol der Fürstenwillkür wurden die für das Ancien Régime typischen Zöpfe der Zopfperücken der Soldaten abgeschnitten oder die Perücken gleich ins Feuer geworfen. Seit der Französischen Revolution trug man die Haare nämlich »offen«.
1819
K ARLSBADER BESCHLÜSSE Derlei Forderungen und »Umtriebe« erschreckten die gerade erst restaurierten Dynasten zutiefst. Die Ermordung des Schriftstellers Kotzebue, der sich in Zeitschriften über die Burschenschafter lustig gemacht hatte, durch den Studenten Karl Ludwig Sand, lieferte 1819 den willkommenen Vorwand: Metternich organisierte in Geheimkonferenzen im August in Karlsbad die Repression aller »demagogischen Umtriebe« durch rigorose Pressezensur, Verbote und Überwachungsmaßnahmen. Damals kam der Begriff »Polizeistaat« auf. Natürlich wurden die Burschenschaften verboten, die Universitäten überwacht. Insbesondere Preußen tat sich bei der »Demagogenverfolgung« hervor. Preußen setzte die Karlsbader Beschlüsse im Deutschen Bund durch, sie blieben 20 Jahre lang bis 1848 bestehen. Ähnlich war die Situation in Frankreich. Hier führten seit der endgültigen Abdankung Napoleons die aus dem Exil heimgekehrten Brüder des geköpften Ludwigs XVI. – nämlich Ludwig XVIII. (bis 1824) und Karl X. (bis 1830) – die Regierung. Vor allem Karl X. betrieb eine ultrareaktionäre royalistische und klerikale Politik, die es dem neureichen Großbürgertum ermöglichte, sich noch mehr zu bereichern. Russland schwenkte nach dem gescheiterten Dekabristenaufstand junger, westlich und konstitutionell gesinnter Aristokraten und Offiziere zur Jahreswende 1825/26 unter Nikolaus I. ebenfalls auf einen
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