Warum bist du so kuehl, Geliebte
schönes Paar, dachte Mary, als sie ihnen hinterhersah. Wenn man die beiden allein traf, würde man nie auf die Idee kommen, dass sie so gut zusammenpassten. Wirklich erstaunlich.
„Was ist da drin?“, fragte sie, nachdem die Drexlers und Hank weggefahren waren. Rasch griff sie nach Logans Papiertüte.
Geschickt ausweichend hielt er sie außer Marys Reichweite. „Na los, zeig mir, was du drauf hast“, forderte er sie lachend heraus. Nach einem kurzen Kampf ließ er die Tüte hinter dem Rücken fallen. Mary fing sie geschickt auf. „Gut reagiert“, bemerkte er und schnappte sich den Hut von ihrem Kopf, bevor sie ihn daran hindern konnte. „Aber nicht gut genug“, fügte er hinzu.
Lachend holte sie sich den Hut zurück und versteckte ihn und die Papiertüte hinter dem Rücken. Die Unterlippe zwischen die Zähne schiebend, wich sie vor Logan zurück und sah ihn herausfordernd an.
Logan tat so, als wolle er links um sie herumgreifen, packte sie jedoch überraschend von rechts, umklammerte ihre Hände und zog sie an sich. Langsam senkte er den Kopf.
Erwartungsvoll blickte Mary auf – aber wieder Fehlanzeige. Anstatt sie zu küssen, legte er nur eine Wange an ihre und streifte mit den Lippen ihr Ohr, während er sie noch enger an sich presste. Sie spürte die Hitze seines Körpers und seinen Mund an ihrem Ohrläppchen. „Mm, schmeckt gut“, murmelte er. „Ein bisschen salzig vielleicht, aber so mag ich es.“
Zärtlich rieb er seine Wange an ihrer und ließ die Lippen zu ihrer Schläfe gleiten. Als sie Hut und Papiertüte fallen ließ, fing er sie auf – und trat einen Schritt zurück. „Bereit zum Essen?“, fragte er augenzwinkernd.
„Zeig mal her“, sagte sie und spähte in die geöffnete Tüte. Darin waren zwei Styroporkartons und Brot. Es duftete nach Huhn. „Kein Rind?“, fragte sie.
Logan machte die Tüte wieder zu und zuckte mit den Schultern. Nachdenklich sah er sie an. „Du hast schon wieder keinen Hunger, oder?“
Sie schüttelte den Kopf.
Er setzte ihr den Cowboyhut wieder auf. „Steht dir gut“, sagte er grinsend. „Du hast einen ganz schön großen Kopf.“
„Klar, damit ich dich besser überlisten kann, Mr Wolf Track.“
„Erzähl mal, was du vorhin von dem Mustang gelernt hast.“ Logan führte sie zum Roundpen und legte die Tüte unterwegs auf seiner Motorhaube ab. „Hat er dir schon seinen Namen verraten?“
„Nein, noch nicht. Aber ich ihm meinen.“ Mary legte die Unterarme auf den Zaun. Der Mustang beäugte sie von der anderen Seite aus. „Ich sehe ihn nicht gern eingesperrt.“
„Willst du ihn freilassen?“
„Nein, das habe ich nicht gemeint. Aber es ist mir unangenehm, dass ich das Einzige bin, was zwischen ihm und seiner Freiheit steht.“
„Das bist nicht du, sondern dieser Zaun hier.“ Logan rüttelte ein wenig daran.
„Es fühlt sich so seltsam an, ein wildes Tier auszubilden. Fast als ob …“
„Du nimmst das zu persönlich. Er war doch auch vorher eingepfercht.“ Logan lehnte sich mit dem Rücken gegen den Zaun. „Außerdem bin ich derjenige, der ihn hierhergebracht hat. Wenn sich hier jemand Vorwürfe machen müsste, dann ich.“
„Mein Eindruck war, dass er keine Angst mehr hat, sich aber auch noch nicht wirklich sicher fühlt. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass er mich beobachtet. Und wartet.“ Dafür bräuchte sie dem Mustang nicht in die Augen zu sehen. „Als hätte er Sehnsucht nach irgendetwas“, fügte sie hinzu.
„Er sehnt sich nach einer Familie. Und wir werden ihm eine geben.“
„Du meinst wohl eine Herde“, sagte Mary sachlich. Sie war erleichtert, endlich die vage Welt der Gefühle verlassen zu können. Wenn es um Fakten ging, fühlte sie sich auf sicherem Terrain. „So wie ein Hund ein Rudel braucht und einen Führer.“
„Nein, ich meinte eine Familie“, beharrte Logan. „Zuerst müssen wir ihn davon überzeugen, dass wir ihn nicht fressen wollen, aber das gelingt uns nicht, wenn wir ihn wie einen Hund behandeln.“
„Mir ist schon klar, dass eine Herde etwas anderes als ein Rudel ist – Pferde sind Beute und Hunde Räuber – aber Pferde haben trotzdem eine Art Hackordnung untereinander.“
„Pferde und Hunde leben in zwei völlig unterschiedlichen Welten. Doch das Tolle an uns Menschen ist, dass wir uns jederzeit in andere Welten hineinversetzen können, wenn wir uns nur genug Mühe geben – ganz egal, ob die von Zweibeinern, Vierbeinern, geflügelten Wesen oder solchen mit Flossen.“
Weitere Kostenlose Bücher