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Warum die Deutschen? Warum die Juden?: Gleichheit, Neid und Rassenhass - 1800 bis 1933 (German Edition)

Warum die Deutschen? Warum die Juden?: Gleichheit, Neid und Rassenhass - 1800 bis 1933 (German Edition)

Titel: Warum die Deutschen? Warum die Juden?: Gleichheit, Neid und Rassenhass - 1800 bis 1933 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Götz Aly
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unterstützte sie im Sommer 1931 das Volksbegehren zur vorzeitigen Auflösung des Preußischen Landtags – der wichtigsten noch einigermaßen stabilen Bastion der Republik. Das Plebiszit war ursprünglich von rechtsradikaler Seite eingebracht worden, sollte Neuwahlen erzwingen und damit der aus SPD, Zentrum und DDP gebildeten Regierungskoalition die parlamentarische Basis entziehen. Immerhin votierten von 26 Millionen preußischen Stimmberechtigten knapp 10 Millionen für den vom rechtsradikalen Lager und der KPD unterstützten Antrag. [345]
    Die Öffnung der KPD nach rechts folgte den Wahlerfolgen, die Hitlers Partei zunehmend auch in Arbeiterbezirken errang. Von allen deutschen Wahlberechtigten machten die Arbeiter 28 Prozent aus. Die hier verwendete Definition des Arbeiters legt Berufstätige oder vorübergehend Arbeitslose zugrunde, die in die Reichsinvalidenkasse einzahlten. Von diesen stimmten bei den Reichstagswahlen im Juli 1932 rund 24 Prozent für die NSDAP, bei den Wahlen im März 1933 waren es 33 Prozent. Nimmt man stattdessen den Anteil der NSDAP-Wähler mit Arbeiterbiographien – diese Definition schließt Rentner, Hausfrauen und nicht erwerbstätige Familienangehörige ein – dann lag der geschätzte Anteil der Wähler aus Arbeiterhaushalten zwischen 33 und 40 Prozent. Geht man noch einen Schritt weiter und nimmt die weniger scharf umrissene Kategorie Arbeitermilieu, verschiebt sich das Bild abermals: In den Berliner Arbeiterbezirken gehörte damals jeder fünfte Arbeitnehmer zur Gruppe der Angestellten. Vielfach gingen die Männer als Facharbeiter in die Fabrik oder auf den Bau, die Frauen verdingten sich als angestellte Verkäuferinnen oder Bürogehilfinnen, gehörten jedoch zum Arbeitermilieu. So betrachtet, lag der Anteil derjenigen Wähler, die Arbeiterhaushalten angehörten, am Ende bei etwa 45 Prozent. Die Wähleranteile und Stimmengewinne, die die NSDAP in der Endphase der Weimarer Republik unter den Angestellten erzielte, unterschieden sich davon nicht wesentlich. [346]
    Der eine oder andere Prozentsatz der von Jürgen Falter erarbeiteten Daten mag etwas höher oder niedriger angesetzt werden. Am Ergebnis ändert das nichts. Die Wahlerfolge der NSDAP im Arbeitermilieu sind deshalb bemerkenswert, weil sich die Partei – trotz ihres Namenszusatzes »Deutsche Arbeiterpartei« – nicht als solche verstand, sondern als Vertreterin des gesamten Volkes. Sie gewann die Wahlen nicht als Klassenpartei des alten und neuen Mittelstandes, sondern als politische Bewegung, die in allen sozialen Schichten gleichermaßen steigenden Zuspruch fand. Das unterschied sie von allen Konkurrenten. KPD und SPD fanden ihre Wähler im Arbeitermilieu und zum geringen Teil unter den kleinen Angestellten, das Zentrum verstand sich als Partei der Katholiken, die Liberalen als Partei des Bürgertums, einige Splitterparteien vertraten berufsständische und regionale Interessen. Im Gegensatz dazu betonte die NSDAP das Verbindende zwischen allen Blutsdeutschen. Programmatisch stand sie über den innenpolitischen Interessenkonflikten, den tradierten landsmannschaftlichen, klassensoziologischen und religiösen Gegensätzen. Das machte sie attraktiv. Bei überdurchschnittlich hoher Wahlbeteiligung votierten im Juli 1932 37,5 und im März 1933 44 Prozent für diese Partei. Für die KPD stimmten 14,5 beziehungsweise 12,3 Prozent, für die weit rechts stehende Deutschnationale Volkspartei entschieden sich 6,3 beziehungsweise 8 Prozent der Wähler. Mit diesem Programm wurde die NSDAP zu der mit großem Abstand stärksten Partei. Am Ende hatten sich zwei Drittel der Deutschen gegen die Republik entschieden.
    Vor seiner Berufung zum Reichskanzler hatte Hitler viererlei versprochen: Erstens wollte er die Republik abschaffen, zweitens Versailles überwinden, drittens den Krisenopfern zu Arbeit und Brot verhelfen und viertens die Erkenntnisse moderner Rassen- und Erbhygiene zum Staatsziel erheben. Wenn auch mit einigen Unterschieden, so hatten in jeweils beachtlicher Zahl Mecklenburger und Hessen, Bürger und Bauern, kleine Angestellte und Arbeiter, Männer und Frauen, Protestanten und Katholiken der NSDAP ihr Vertrauen ausgesprochen. 1933 konnte allein diese Partei für sich in Anspruch nehmen, einen repräsentativen Querschnitt aller Deutschen zu vertreten.

Literatur
Abwehr-ABC, hrsg. vom Verein zur Abwehr des Antisemitismus, Berlin 1920.
Adam, Margarete, Reichmann-Jungmann, Eva: Eine Aussprache über die Judenfrage (veranstaltet

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