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Warum die Deutschen? Warum die Juden?: Gleichheit, Neid und Rassenhass - 1800 bis 1933 (German Edition)

Warum die Deutschen? Warum die Juden?: Gleichheit, Neid und Rassenhass - 1800 bis 1933 (German Edition)

Titel: Warum die Deutschen? Warum die Juden?: Gleichheit, Neid und Rassenhass - 1800 bis 1933 (German Edition)
Autoren: Götz Aly
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und hatte maßgeblichen Anteil am wirtschaftlichen Wiederaufbau der Bundesrepublik Deutschland. Wilhelm Röpke starb 1966.
    Zurück zur Situation von 1931. Um die Reparationen zu bezahlen, war die Reichsbahn schon 1924 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und mit elf Milliarden Goldmark Schuldverschreibungen belastet, also verpfändet worden. Kurz vor dem Ausbruch der Krise waren die Reparationen mit dem Young-Plan zwar geringfügig reduziert und in ihrer endgültigen Höhe festgelegt worden, doch für die Öffentlichkeit enthielt das Abkommen vor allem eine Botschaft: enorme Pflichtzahlungen für weitere 58 Jahre in Höhe von etwa 20 Prozent, für die letzten 22 Jahre 10 Prozent der jährlichen Reichseinnahmen.
    Die Regierungsparteien hatten den Plan im Frühjahr 1929 angenommen und als Grundlage für wirtschaftlichen Aufschwung, verbesserte Steuereinnahmen, weniger Arbeitslosigkeit und Entschuldung der Landwirtschaft gepriesen. Doch schon im Januar 1930 musste der Reichstag aus purer Geldnot ein Zündholzmonopol zugunsten von Ivar Kreuger beschließen. Der schwedische Industrielle stellte dem Reich dafür eine Anleihe von einer halben Milliarde Mark zur Verfügung. Sie wurde mit damals niedrigen sechs Prozent verzinst und lief einschließlich des gewinnträchtigen, letztlich von allen Konsumenten zu bezahlenden Monopols 53 Jahre. Erst 1983 war der bundesdeutsche Zündwarenmarkt wieder frei. Die Älteren erinnern sich an die Kreuger-Streichhölzer mit den Etiketten »Welthölzer« und »Haushaltsware.«
    Mit dem 25. Oktober 1929, dem Schwarzen Freitag an der New Yorker Börse, lösten sich die optimistischen Prognosen der deutschen Regierung in nichts auf. Spekulanten wie Kreuger hatten dazu beigetragen. Sein Geschäftsmodell bestand darin, in möglichst vielen verarmten Ländern das Zündholzmonopol gegen vermeintlich günstige Riesenkredite zu tauschen. Sein Imperium brach zusammen. Die deutschen Schulden blieben bestehen. Die Republik verlor ihre Kreditwürdigkeit. Das zwang die Regierung – bei schnell voranschreitender Massenarmut – im April 1930, sechs Monate vor den Wahlen im Herbst, die Umsatz-, Bier-, Zucker- und Tabaksteuer drastisch zu erhöhen. Haushälterisch war das richtig, politisch tödlich.

    Das war die Ausgangsbasis, auf der Hitler seine Kampagne für die Reichstagswahlen am 14. September 1930 entfaltete. Massenwirksam gelang es ihm erst jetzt, jüdische Hochfinanz, entfesselten internationalen Marktkapitalismus und Versailles zu jenem Moloch zu stilisieren, der Deutschland anfällt, abwürgt und frisst. »Mag Landwirtschaft und Industrie vernichtet werden«, so agitierte er gegen die Republik, »mag unser Handwerk zum Teufel gehen, (mögen) unsere Kleinunternehmen verschwinden: Das Großkapital muss unangetastet bleiben und der Jude, der hinter diesem Kapital steht.« Hitler warf den Regierungsparteien vor, sie spielten einzelne Gruppen und Grüppchen mit »echt jüdischer Fingerfertigkeit« gegeneinander aus, um das ohnehin geschwächte Volk endgültig »allen Einflüssen internationaler vergiftender und verpestender Art« auszuliefern.
    Als Gegenmittel versprach er Rückbesinnung auf die eigene Kraft, neue Stärke und das Ende aller Halbheiten und prophezeite siegesgewiss, man werde die bevorstehende Wahl einmal als »Wendetag« der deutschen Geschichte begehen: »An dem Tag hat die junge Bewegung, die später Deutschland frei gemacht hat, zum ersten Mal mit schweren Schlägen an die Türen des deutschen Reichshauses gepocht und gerufen: Macht die Tore auf, die Interessenten sollen weichen, das deutsche Volk zieht jetzt ein.« Drohend kündigte Hitler die Zeit an, in der niemand mehr »dem Juden« glauben werde: »Dann ist er mit seinem Latein zu Ende. Die Zeit, in der es ihm ergeht, wie es ihm vor hunderten Jahren ergangen ist, ist bereits angebrochen.« Um die Republik »sturmreif« zu machen, wiegelte Hitler seine Gefolgsleute nicht gegen die Kommunisten auf, sondern zur »rücksichtslosesten Offensive gegen die gesamte Front der Young-Parteien«, gemeint waren die demokratischen, auf nationalen und internationalen Ausgleich bedachten Parteien der Weimarer Mitte. Ihnen legte er die Misere zur Last: »Die Nation verblutet langsam, Arbeiter werden brotlos, und es mästen sich überstaatliche Finanzspinnen.« [338]
    Liest man Hitlers damalige Artikel und Reden hintereinander, dann fällt auf, dass die Themen »Schmach von 1918«, »Friedensdiktat«, »Reparationen«, »2000-jährige
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