Warum gibt es alles und nicht nichts? - Precht, R: Warum gibt es alles und nicht nichts?
dort drinnen, düster und etwas gespenstisch. In hohen Vitrinen lagern Hunderttausende von großen und kleinen Glasgefäßen mit Fischen, Spinnen, Krebsen, Amphibien und Säugetieren.
Erinnerst du dich, Oskar, was ich dir erzählt habe, wo die Menschen herkommen?
Von den Affen.
Und woher weiß man das?
Weil man Knochen und Köpfe von Affenmenschen gefunden hat.
Wusste man das denn schon immer?
Nein, ich glaube nicht.
Weißt du, wie lange man das schon weiß, Oskar?
Nicht genau.
Dass Menschen und Affen irgendwie miteinander verwandt sind, ahnten die Menschen schon vor mehr als 2000 Jahren. Die Ureinwohner Indonesiens glaubten, dass Orang-Utans Menschen sind, die nur deshalb nicht reden, weil sie zu faul zum Arbeiten sind. Und das Wort Orang-Utan bedeutet auf Deutsch: » Waldmensch«. Die Mayas in Südamerika schrieben in ihrem » Ratsbuch«, wie die Götter die ersten Menschen erschufen. Leider waren sie ihnen nicht gut geraten. Sie waren nicht intelligent und sensibel, sondern gefühllos. Da verwandelten die Götter ihre verpfuschten Menschen in Affen.
Die Bibel dagegen kennt keine Schöpfungsgeschichte, in der Affen vorkommen. Aus einem ganz einfachen Grund: In Israel, wo die Bibel entstand, gibt es gar keine Affen. Und was man nicht kennt, darüber kann man auch keine Geschichten erzählen und Erklärungen erfinden.
Die Wissenschaft weiß heute, dass der Mensch von affenähnlichen Vorfahren abstammt. Aber es dauerte sehr lange, bis die meisten Menschen davon überzeugt waren. Als der berühmte Naturforscher Charles Darwin vor 150 Jahren erklärte, dass alle Tiere, die heute leben, von ganz anderen Tieren abstammen, die früher lebten, wurde er erst verspottet. Bis dahin wollten viele Menschen glauben, was in der Bibel steht: dass Gott die Tiere und Menschen erschaffen hat. Nach der Sintflut strandete die Arche Noah dann auf dem Berg Ararat, einem Vulkan in der Türkei. Noch kurz vor Darwin glaubten viele Naturforscher, dass alle heute lebenden Tierarten vom Berg Ararat aus losgewandert sind, bis sie dort ankamen, wo Gott sie haben wollte.
Man muss sich einmal vorstellen, wie die Eisbären durch die Türkei und ganz Europa bis nach Grönland gewandert sind. Was für eine Hitze! Und erst recht die armen Kaiserpinguine! Vom Berg Ararat bis ans Meer sind es über hundert Kilometer. Dann durch das Schwarze Meer ins Mittelmeer und von dort durch den atlantischen Ozean bis zum Südpol schwimmen. Ganz schön anstrengend. Und wie sind die Frösche und Kröten und erst die Schnecken um die halbe Welt bis nach Südamerika und Australien gekommen?
Die Geschichte aus der Bibel kann also nicht stimmen. Heute wissen wir, dass sich die Pflanzen und Tiere nach und nach entwickelt haben und sich dabei im Lauf der Zeit veränderten. Nicht anders war es beim Menschen. Dabei sind uns unsere ältesten Vorfahren bis heute unbekannt. Was wir wissen, ist, dass vor etwa 4 oder 5 Millionen Jahren eine Reihe verschiedener Affenmenschen in Ostafrika entstanden: die Australopithecinen. Auf Deutsch bedeutet der Name: » Südaffen«. Sie bewohnten Halbwüsten, Savannen, kleinere Wälder und sumpfige Flusslandschaften. Sie lebten in Horden zusammen, und irgendwann erlernten die Südaffen den aufrechten Gang. In späterer Zeit lebte in Ostafrika dann der Homo habilis – der » geschickte Mensch«. Er hatte ein viel größeres Gehirn als die Südaffen und war dem Menschen auch schon viel ähnlicher. Noch etwas später entwickelte sich Homo erectus – der » aufrecht gehende Mensch«. Als erster Vorfahre des Menschen breitete er sich von Ostafrika auf andere Kontinente aus und wanderte bis nach Südostasien. Vor etwa 200 000 Jahren dann entwickelte sich aus dem Homo erectus sein Nachfahre Homo sapiens – der » schlaue Mensch«. Und das sind wir.
Warum also gibt es dich, Oskar?
Weil die Menschen sich aus den Affen entwickelt haben. Irgendwann haben sie sich zu meiner Mama entwickelt und zu meinem Papa, und die haben mich dann geboren.
Meinst du, dass es Absicht war, dass die Menschen entstanden sind? Oder Zufall?
Keine Ahnung.
Stell dir mal vor, es gäbe noch mal die Südaffen. Glaubst du, sie würden sich wieder zu den heutigen Menschen entwickeln?
(Oskar zuckt mit den Schultern)
Ehrlich gesagt: Ich weiß es auch nicht. Aber ich glaube, dass nicht genau die gleichen Menschen dabei herauskommen würden. Vielleicht wären es ganz andere Menschen?
Vielleicht wären sie klein und gebückt und mit Fell an manchen Stellen. Oder riesig groß mit
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