Warum gibt es alles und nicht nichts? - Precht, R: Warum gibt es alles und nicht nichts?
also zum Beispiel nicht Tamandua-Rüsselfisch, sondern Quajakougou oder so …?
Erst in diesem Moment verstehe ich, was Oskar meint. Er meint, dass jedes Tier (und wahrscheinlich auch jede Pflanze und alles andere, ein Felsen und so weiter) einen eigentlichen Namen haben müsste, einen Namen, der vielleicht gar nichts mit dem zu tun hat, wie die Menschen die Dinge nennen …
Woher haben die Tiere ihre Namen? Schon in der Bibel wird erzählt, wie Adam den Tieren ihre Namen gibt. Und das ist nicht ganz falsch. Alle Namen, die die Tiere haben, haben sie von Menschen. Überall in der Welt geben die Einwohner der Länder, in der die Tiere leben, ihnen Namen. Die Forscher aus anderen Ländern aber gaben den Tieren oft andere und neue Namen. So haben die allermeisten Tiere ganz viele verschiedene Namen. Das Erdmännchen etwa heißt nur in Deutschland so. Die Engländer nennen die Tiere Meerkat, was eigentlich Meerkatze auf Niederländisch heißt und sehr irreführend ist. Denn Erdmännchen gehören nicht zu den Affen, wie die Meerkatzen, sondern zu den Schleichkatzen wie zum Beispiel auch die Mungos. So etwas passiert oft, weil die Menschen, die den Tieren ihre Namen gaben, sich nicht gut auskannten. Auch das Flusspferd ist ja kein Pferd, sondern mit den Schweinen verwandt. Aber die alten Griechen, die die ersten Flusspferde zu Gesicht bekamen, nannten sie Hippos potamos – und das heißt » Pferd des Wassers«.
Nicht anders sieht es beim Ameisenbär aus, der nicht mit den Bären verwandt ist, sondern zusammen mit dem Faultier oder dem Schuppentier zur Familie der » Zahnarmen« gehört, weil er in seinem langen Rüsselmaul keine Zähne hat. Bei anderen Tieren dagegen ist es mit den Namen leicht. Die Klapperschlange, die bei Gefahr mit ihrer Hornklapper am Schwanzende rasselt, heißt in fast allen Sprachen so. Auch Pinguine heißen in vielen Sprachen so, obwohl ihr Name etwas unsinnig ist. Das Wort penguin kommt aus Wales und bedeutet » Weißkopf«. Doch wer sich schon mal einen Pinguin aus der Nähe angeschaut hat, der weiß, dass Pinguine gar keine weißen Köpfe haben! Der Name penguin war ursprünglich der Name eines anderen Vogels, nämlich des inzwischen ausgestorbenen Riesenalks. Und der hatte tatsächlich einen großen weißen Fleck am Kopf. Als die ersten Pinguine nach Großbritannien kamen, erinnerten sie die Seeleute an den Riesenalk. Die dachten, die Vögel müssten mit dem Alk verwandt sein. Und so kam der Pinguin zu seinem Namen.
Manche Tiernamen dagegen sind nicht nur schlecht gewählt, sie machen überhaupt keinen Sinn. Ein lustiges Beispiel dafür ist der Vielfraß. Er ist der größte Marder der Welt und hat die Statur eines kräftigen mittelgroßen Hundes. Vielfraße leben in Nordeuropa. Und in der Sprache der Lappen nennt man sie Fjellfräs. Das Wort » Fjell« heißt Berg oder Felsen, und das Wort » Fräs« heißt Katze. Zusammengesetzt bedeutet es also » Felsenkatze«. Die deutschen Forscher, die dem Vielfraß seinen Namen gaben, hatten das Wort aber offensichtlich nicht richtig verstanden. Und wie bei dem Spiel » Stille Post«, bei dem man sich Worte von Ohr zu Ohr flüstert und am Ende etwas ganz anderes dabei herauskommt, wurde aus dem Fjellfräs ein Vielfraß. In England heißt der Vielfraß übrigens ganz anders. Man nennt ihn wolverine, weil er die englischen Forscher an einen Wolf erinnerte, obwohl der Vielfraß dem Wolf eigentlich gar nicht ähnlich sieht.
Der Vielfraß ist aber nicht das einzige Tier, dessen Name auf einem Missverständnis beruht. Ein anderes berühmtes Beispiel ist das Fingertier. Es ist ein sehr seltsamer Geselle, der nachts behutsam durch die Regenwälder Madagaskars klettert und mit seinem langen Finger Insekten und Würmer aus der Baumrinde pult. Von allen Tieren sieht es wohl am meisten wie ein Alien aus, ein außerirdisches Lebewesen. In anderen europäischen Sprachen heißt das Fingertier Aye-Aye. Lange Zeit war sehr unklar, wie es zu diesem seltsamen Namen kam. Manche alten Bücher behaupteten, der Name käme von den kreischenden Lauten, die das Fingertier bei seinen nächtlichen Streifzügen von sich gibt und die sich anhörten wie » Hay Hay«. Aber die vielen verschiedenen Laute des Fingertiers klingen alle eigentlich überhaupt nicht so. Wahrscheinlicher stammt der Name Aye-Aye ganz woanders her.
Viel überzeugender ist nämlich folgende Geschichte: Als die ersten europäischen Forscher im Jahr 1863 auf der Suche nach unbekannten Tieren durch den
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