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Warum gibt es alles und nicht nichts? - Precht, R: Warum gibt es alles und nicht nichts?

Warum gibt es alles und nicht nichts? - Precht, R: Warum gibt es alles und nicht nichts?

Titel: Warum gibt es alles und nicht nichts? - Precht, R: Warum gibt es alles und nicht nichts? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard David Precht
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Einleitung
    Von Erwachsenendingen, Eidechsendingen und Kinderdingen …
    Eines Tages, vor etwa einem Jahr, standen Oskar und ich im Berliner Aquarium und beobachteten den Zitteraal. Zitteraale sind ziemlich fiese Ungetüme, dicke grau-rosa-farbene Würste. Ihre winzigen trüben Augen sind blind, und der Fisch ist stark elektrisch. Ein richtiges Monster war es, das da vor unseren Augen langsam durch die Wasserpflanzen glitt.
    Nun findet Oskar Monster nicht nur gruselig, sondern auch äußerst spannend. Sollten wir nicht mal ein Kinderbuch schreiben, mit einem unglaublich riesigen Zitteraal als Bedrohung? Ein Ungeheuer mit tödlichen Stromschlägen? Zu Oskars Lieblingsbüchern gehört eine Reihe mit einem jungen Helden, der im Mittelalter eine ganze Serie von Monstern bekämpft. Warum sollten wir nicht auch ein solches Buch schreiben, eben mit einem Zitteraal? Mit wissenschaftlichem Namen heißt das Monster übrigens Electrophorus. Ein toller Name: » Electrophorus – der Schrecken des Amazonas«. Den Titel hätten wir schon.
    Aber mit einem Mal wurde Oskar sehr nachdenklich. Ihm kamen Zweifel. » Papa, das geht nicht«, sagte er betrübt. – » Im Mittelalter gab es noch gar keinen Strom.«
    Heute ist Oskar ein Jahr älter. Und er weiß natürlich auch, dass es im Mittelalter zwar schon Elektrizität gab. Aber niemand wusste damals, was das ist. Wenn es blitzte, entluden sich auch im Mittelalter elektrische Ladungen. Trotzdem hatte Oskar irgendwie recht: Strom und Mittelalter – das passt nicht richtig zusammen.
    Ob etwas sachlich richtig ist oder ob etwas gefühlt zusammenpasst, sind zwei verschiedene Dinge. In diesem Buch soll es um beides gehen. Um das, wovon wir genau wissen, dass es stimmt, und um all die vielen Dinge, von denen wir nur ungefähr wissen, was stimmt. Sachen, bei denen wir aber ein Gefühl haben, was gut oder schlecht zusammenpasst.
    Man sagt oft, Kinder seien die wahren Philosophen. Sie sind neugierig und wollen alles ganz genau wissen. Und es gibt unendlich viel zu wissen in der Welt. Dabei gibt es Fragen, die man leicht beantworten kann. Und es gibt Fragen, die man nur schwer, nicht endgültig oder gar nicht beantworten kann. Solche Fragen sind oft philosophische Fragen.
    Viele dieser Fragen und Antworten, die für Kinder spannend sind, sind es natürlich auch für Erwachsene. Oft stellen sie sich die gleichen Fragen: Wo kommt alles Leben eigentlich her? Warum sind Menschen oft traurig? Und woran kann man eigentlich erkennen, ob das, was man tut, richtig ist oder falsch?
    In meinen drei letzten Büchern für Erwachsene habe ich mich mit diesen Fragen beschäftigt. Und deshalb habe ich die eine oder andere Frage und Geschichte aus diesen Büchern übernommen. Natürlich habe ich sie umgearbeitet, damit auch Kinder sie verstehen können. Oskar ist inzwischen alt genug, dass er vieles davon verstehen kann.
    Dazu gibt es manches, was ganz besonders für Kinder spannend ist. Der Philosoph Martin Heidegger meinte einmal, dass das, was Menschen denken, für Eidechsen todlangweilig und völlig unvorstellbar ist. In ihrer Welt gibt es nämlich keine Menschendinge, sondern nur » Eidechsendinge«. Aber was sind das – Eidechsendinge? Das verriet Heidegger leider nicht. Vielleicht sind es solche Dinge wie knusprige Insekten, tolle heiße Steine und kuschelig schützende Höhlen?
    Ebenso wie es » Eidechsendinge« gibt, gibt es natürlich auch » Kinderdinge«. Lange Flure zum Beispiel, durch die man nicht langsam gehen, sondern nur rennen kann. Oder glatte Fußböden, über die man unbedingt auf Socken rutschen muss. Geländer, die zum Balancieren einladen. Kissen, die ihren Sinn erst durch eine Kissenschlacht bekommen. Sofas, die zum darauf Hüpfen da sind. Und genauso gibt es auch Kinderfragen. Dabei unterscheiden sich die Kinderfragen von den Erwachsenenfragen wie das langsame Gehen über einen glatten Flur vom Durchrutschen. Aber auch Erwachsene – zum Beispiel wenn sie sehr gut gelaunt, etwas betrunken oder frisch verliebt sind – erinnern sich manchmal daran, das Rutschen eigentlich schöner ist als langsames Entlangschreiten …
    Deshalb sind Kinderdinge oft etwas sehr Ähnliches wie Erwachsenendinge. Nur eben meist spontaner, lustiger und ehrlicher. Kinder wissen nämlich meistens, dass sie vieles nicht wissen. Wogegen Erwachsene immer glauben, sie müssten auf alles eine Antwort haben. Vermutlich deshalb, weil sie glauben, man hielte sie sonst für dumm. Und dumm will natürlich keiner sein.

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