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Was am Ende bleibt

Was am Ende bleibt

Titel: Was am Ende bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula Fox
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Blusenärmel gaben einen Laut von sich. Es war, als dächte sie an nichts anderes als daran, sich anzukleiden.
    Otto lag quer über dem Bett, ein Knie schaute unter der Decke hervor. Sie bürstete sich rasch das Haar und steckte es auf, sie griff nach einer Geldbörse auf der Kommode, ließ sie dann dort liegen, schob ihre Hausschlüssel in die Tasche. Als sie ihre Schuhe aus dem Schrank holte und auf Zehenspitzen aus dem Zimmer ging, verspürte sie, einen schwindelerregenden Augenblick lang, eine unrechtmäßige Erregung.

4
    Sie gingen schweigend, rasch, wie Verschwörer die Straße hinunter, sprachen nur, wenn sie um eine Ecke bogen, und steuerten auf das Zentrum von Brooklyn zu.
    «Wo gehen wir hin?» fragte er. «Hat irgendwas offen?»
    «Weiß ich nicht. Um diese Zeit bin ich noch nie hier gewesen. Bist du mit der U-Bahn gekommen?»
    «Nein, ich habe ein Taxi genommen. Der Fahrer hat mich an der falschen Ecke abgesetzt, aber ich war zu müde, um mich mit ihm herumzustreiten. So bin ich zu Fuß zu euch gegangen.»
    «Hast du Ruth gesagt, daß du zu uns wolltest?»
    «Nein. Ich war im Kino. Ein Mann, der neben mir saß, sagte mir, ich würde Selbstgespräche führen. Ich bat ihn, mich dann nicht zu unterbrechen, und er sagte, ich würde ihm seinen einzigen freien Abend versauen. Da bin ich gegangen, habe ein Taxi genommen und bin zu einer Bickford-Filiale gefahren, die voll war von Leuten, die Selbstgespräche führten. Mein Gott! Schau nur, alle Gehsteige voller Papier.»
    «Bitte, komm mir bloß nicht mit dem Müll!»
    Sie waren bei einer Kreuzung angelangt. Von Westen her fuhr mit lautem Geknall und Geklapper ein Bus auf sie zu. Er fuhr bei Rot durch. Der Fahrer saß nach vorn gekrümmt da, die Arme um das Lenkrad gelegt; seine Hände hingen herab wie Hände aus Papier. Es gab nur einen Fahrgast, eine alte Frau mit blendend weißem Haar. Sie sah zugleich erhaben und geistlos aus.
    «Worüber denkt sie nach?» fragte Sophie.
    «Über nichts. Sie schläft.»
    Die Ampel sprang um und nochmals um. Um sie herum raschelten ausrangiertes Verpackungsmaterial und Zeitungen. Einen Block weiter hingen ein paar Gestalten vor dem Fenster einer Imbißbude herum. Als sie darauf zugingen, konnte Sophie im Inneren zwei Männer sehen, die sich flink bewegten, dickwandige weiße Tassen abspülten und einen Grill schrubbten. Die Leute draußen standen einfach da und schauten zu. Auf der anderen Seite der Straße, in der Nähe eines U-Bahn-Ausgangs, starrte ein kleiner, dicker, dunkelhäutiger Mann mit einem winzigen schwarzen Hut auf ein Gullygitter. Er war von der betäubten Unbeweglichkeit eines Heimatlosen, der bis zu jenem Punkt gelangt war, zu dem er ohne weitere Anweisungen gelangen konnte.
    «Sie werden gleich schließen», sagte Charlie.
    Sophies anfängliches Hochgefühl war verflogen. Sie war beunruhigt. Der ganze linke Arm tat ihr weh. Ihre Erregung über den Gegensatz zwischen ihrer früheren unspektakulären Freundschaft mit Charlie, wie es sich für die Ehefrau des Geschäftspartners ziemt – keine Fragen, keine Antworten –, und ihrer jetzigen Unternehmung, und der Gedanke an den schlafenden, nichtsahnenden Otto, der ihrer Flucht von zu Hause so großen Schwung verliehen hatte, waren von ihr abgefallen. Jetzt erinnerte es an die zähflüssige Unterhaltung unter Gästen zu später Stunde, wenn nichts mehr zu sagen ist, nichts als Asche im Kamin, Geschirr im Spülbecken, ein Frösteln im Zimmer, eine Rückkehr zur normalen Entfremdung.
    «Vielleicht sollten wir es lieber aufgeben», sagte sie.
    «Nein! Irgendwo muß doch ein Hotel geöffnet haben. Komm weiter …, wir versuchen es in den Heights.»
    «Dein Revers ist umgeklappt», sagte sie und blickte wieder zu ihm hinauf, vielleicht in der Hoffnung, ihn miteiner schlichten hausfraulichen Bemerkung zur Umkehr zu bewegen. Er schien sie nicht gehört zu haben. Er sah ängstlich aus. Er packte sie am Arm und murmelte: «Komm jetzt weiter …»
    Charlie war ein korpulenter Mann, grobknochig und kräftig, aber trotzdem so gelenkig, als befände sich in der Mitte seines Körpers ein Gyroskop. Sein Gang hatte ihr immer gefallen, wie er so schief und lässig einen Fuß vor den anderen setzte, ein schöner, schwingender Gang. Er roch gut. Jetzt aber trottete er bloß, wie sie sah, wie sie fühlte (er ging so dicht neben ihr). Und er roch abgestanden, wie abgestandener Schnaps und abgestandener Schweiß.
    «Nachdem ich bei Bickford war, bin ich in eine Bar gegangen», sagte

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